Die Flucht des Papier-Zaren vor dem Konkurs

Versicherungsbetrug konnte Fendt-Pleite nicht verhindern/ Interpol-geschaßter Ex-Chef von Wörner in Schutz genommen?  ■ Aus Memmingen K. Wittmann

Vor der 1. Großen Strafkammer des Memminger Landgerichts wurde in den letzten zweieinhalb Wochen ein Versicherungsbetrug in Höhe von 8,7 Millionen Mark verhandelt. Der Angeklagte, der 55jährige technische Direktor einer großen Allgäuer Papierfabrik, wurde am Montag freigesprochen — weil sich herauskristallisiert hatte, daß die Verantwortung beim Papierfabrikanten Dr. Wolfgang Fendt liegt, der seit 1985 mit internationalem Haftbefehl gesucht wird.

Der Versicherungsbetrug wurde 1984 durchgezogen. Nach einer Explosion in der Papierfabrik Ettringen kassierte der einstmals drittgrößte Zeitungspapierhersteller der BRD von der Versicherung 8,7 Millionen Mark Entschädigung, weil angeblich 19.362 Tonnen minderwertiges Papier unbrauchbar geworden waren. Die Zeitungspapierrollen wurden derweil zum regulären Preis weiterverkauft. Doch die Finanzspritze der Versicherung konnte die marode Papierfabrik und die weiteren rund 40 ineinander verschachtelten Gesellschaften der Fendt-Gruppe nicht mehr retten. Im November 1985 wurde das Konkursverfahren eröffnet, Firmenchef Fendt setzte sich daraufhin nach Südamerika ab. Zurück ließ er laut Konkursverwalter Dr. Volker Grub 350 Millionen Mark Schulden. Die Papierfabrik wurde an den finnischen Papierhersteller Myllykoski Oy verkauft, doch der einstige Papier-Zar ist noch immer auf der Flucht.

Vor dem Gericht berichtete ein Zeuge, ein 33jähriger Versicherungskaufmann aus Niederbayern, der in Paraguay ein halbes Jahr für Wolfgang Fendt als „Mädchen für alles“ gearbeitet hat, nun brisante Einzelheiten über Fendts Flucht. Vor seinem Rückflug nach Deutschland entwendete er seinem Brötchengeber einen Koffer mit Dokumenten, die belegen, daß regelmäßig erhebliche Geldsummen über Tarnkonten in der Schweiz und Mittelsleute in Deutschland nach Paraguay flossen. Immer wieder tauchte Fendt nach den Berichten des Zeugen in einer deutschen Kolonie in Asunción, der Hauptstadt von Parguay, unter, in der sich mindestens neun weitere international gesuchte Straffällige aufhalten sollen. Und immer wieder hetzte Fendt mit wechselnden Fahrzeugen von Paraguay nach Chile, von dort nach Brasilien und wieder zurück. Monatlich zahlte er 1.000 Mark Schutzgeld an die Polizei, um seine mehrfach beantragte Auslieferung zu verhindern.

Inzwischen braucht sich Fendt allerdings über eine Auslieferung an die Bundesrepublik keine Sorgen mehr zu machen, denn er hat in Paraguay die Staatsbürgerschaft erworben. Mit Hilfe des Nato-Generalsekretärs Manfred Wörner, behauptet der Zeuge. Wörner soll Fendt in Rio de Janeiro getroffen und ihm versprochen haben, er werde schon dafür sorgen, daß Fendt nicht ausgeliefert werde. „Die beiden Ehefrauen waren miteinander bekannt, und so haben sich Fendt und Wörner kennengelernt“, bestätigt Konkursverwalter Volker Grub. Manfred Wörner war auch kurzzeitig, von Juli bis Oktober 1982, im Aufsichtsrat der Firma Lang Papier AG Ettringen. Dazu Wörners Sekretär Harald Bungarten: „Natürlich kennt Herr Dr. Wörner Herrn Fendt. Er hat ihm jedoch nie eine Zusage gegeben.“

Das Verfahren gegen Dr. Fendt wegen betrügerischen Konkurses und anderer Delikte wird von der Staatsanwaltschaft für Wirtschaftsstrafsachen in Augsburg weiterbetrieben.