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Die Fiktion der Fläche

■ Eine Ausstellung von Bernhard Garbert, Rolf Julius und Edwin Maas

Gegenstände, die nur durch ihre hochgestylte Oberfläche wirken, die poliert, aseptisch glatt und gereinigt sind, kommen in der Ausstellung der Galerie Anselm Dreher mit dem Titel Surface (Oberfläche) nicht zum Zuge. Bernhard Garbert, Rolf Julius und Edwin Maas zeigen künstlerische Arbeiten, die karges, sprödes Material und seine Wirkung augenfällig miteinander verbinden. Ein dezentes Galerieschild mit dem Hinweis »Bitte nicht berühren« verdeutlicht den Wunsch vieler Besucher, auch einmal zu fühlen, was dort zu sehen ist.

Ein Bild mit dem Titel 2 * Weiß in Grau des Malers Edwin Maas konfrontiert die unterschiedliche Oberflächenbeschaffenheit von Farbe und Bildträger: Die Leinwand wird vollständig mit Farbe bemalt. In einem zweiten Schritt wird sie mit Drahtbürste und Lauge malträtiert, bis der rohe Stoff wieder sichtbar wird. Malerei als Reinigung mit Hochdruck. Diese Schwerstarbeit ist ablesbar und entzieht sich einem auf Zweckdenken ausgerichteten Effekt.

Ein anderes Bild: Eine langgezogene graue Leinwand birgt zwei kleine weiße Quadrate in sich. Während die rauh-geschundene Webstruktur der Leinwand — als Blick hinter die Kulissen — wieder sichtbar wird, ist die glatte Gipsputz-Konsistenz der Quadrate als Dekor vorgeführt. Ein anderes Bild, das mit weißer Farbe »übermalt« ist, läßt an einer Stelle die Worte »KANN WEG« stehen — als Aufforderung zum Abräumen oder gar als Werturteil? Maas schützt die Malerei mit ironischem Augenzwinkern davor, als gehaltloses, zeitlos-schönes Flächenspiel getilgt zu werden.

Zwei Schwarz heißt die Klanginstallation von Rolf Julius. Seine Kunst macht akustische Signale durch Farbmaterial augenscheinlich. Auf dem Galerieboden befinden sich in vier Zentimetern Höhe zwei quadratische Glasscheiben, auf denen ein schwarzes Pigment mit einem Sieb gestreut ist. Die Scheiben sind in zwei Hälften gespalten und wieder zusammengesetzt worden. Unterhalb der Bilder produzieren Lautsprecher leise Geräusche im Dialog mit Telefonklingeln, Fußschritten und gewöhnlichem Straßenlärm. Daß eine Oberfläche nicht nur statische Eigenschaften besitzt, sondern auch wie eine sensible Membran reagieren kann, zeigen diese Objekte. Das Bild befindet sich als Klangkörper in Bewegung, seine Oberfläche schwingt und vibriert durch den feinen Pigmentstaub. Ein Symbol für angekratzte Nerven?

Bernhard Garbert setzt einer filigran-empfindlichen Oberflächenwirkung die rauhe Realität des Asphalts entgegen. Kohlen- und Steinsplitter werden mit einem Binder zusammengehalten und mit einem Quast auf die Frontseite eines Kartons aufgetragen. Tropfspuren an den Kartonrändern entstehen durch den Herstellungsprozeß. Die Arbeit ist »bis zu dem Punkt getrieben, wo das Bild sich selbst bezeichnet«, wie der Künstler betont. Die Größe und Tiefe des Kartons stehen in einem proportionalen Verhältnis zueinander: die Frontseite ließe sich als quadratische Fläche eines Würfels denken, dessen Volumen zur Hälfte aus der Wand herausragt. Die Malfläche ist bei diesen Arbeiten durch die Verräumlichung des Bildes überzeugend wiederbelebt und als Serie aufgeladen. Der Künstler verwendet bei seiner fünfteiligen Russischen Serie das folkloristische »Puppe in der Puppe«-Prinzip. Garberts »Matruschka«-Baustein könnte lauten Karton vorne Schwarz. Während die Puppe —ineinandergeschachtelt— dem Blick vorenthält, was sich in ihrem Inneren verbirgt, offenbart der Künstler das Geheimnis. Kartons mit gleicher Erscheinung hängen unmittelbar neben dem jeweils kleineren. Die Bild-Figuren sind auf eine Höhe nebeneinandergereiht. Die systematische Verkleinerung läßt eine perspektivische Wirkung entstehen: Stein und Staub verwandeln den Raum zu einer Kohlelandschaft mit hochgezogenem Horizont.

Alltagssprachlich sind mit dem Begriff Oberfläche Eigenschaften wie flach und inhaltslos verbunden, doch die drei künstlerischen Positionen durchbrechen diese vordergründige Dimension. Kunst als »Anti- Waschwerbung« — porentiefe Gebrauchsspuren sind dabei beabsichtigt. Die Werke der Ausstellung korrespondieren im intensiven Dialog: Der sensible Pigmentstaub und auch das Grau der abgebürsteten Leinwand reagieren auf das schwere, tiefe Schwarz der Kohle. Die weitergehende Bedeutung entsteht durch die Wechselwirkung von visueller Ansicht und gedanklicher Einsicht. Surface wird somit zum Ort einer gesteigerten Vorstellung — ihn zu berühren, sei hiermit erlaubt. Herbert Jochmann

Bis 28.3. Galerie Anselm Dreher, Pfalzburger Str. 80, 1/15, Di.-Fr. 14-18.30 Uhr, Sa. 11-14 Uhr.

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