Die Fehde der Schach-Rivalen: "Gott ist kein Bulgare"
Die Exweltmeister im Schach, Wladimir Kramnik und Wesselin Topalow, pflegen weiter ihre Feindschaft. Auf den verweigerten Handschlag folgt ein Schlagabtausch am Brett.
BADEN BADEN taz Das sich anbahnende Feuerwerk auf dem Schachbrett hat die Fans in aller Welt zunächst völlig kalt gelassen. Vielmehr trieb sie die Frage um, ob sich die beiden Exweltmeister Wesselin Topalow und Wladimir Kramnik vor der neunten Runde an der holländischen Küste die Hände schütteln würden. Seit der Toiletten-Affäre bei der WM-Titelvereinigung 2006, als Topalow seinem integren russischen Bezwinger Computer-Beschiss auf dem Klo vorwarf, verzichten die beiden Erzrivalen auf den obligaten Handschlag vor der Partie. Die Lage hatte sich jedoch zwei Tage zuvor durch einen Stellvertreterkrieg in Wijk aan Zee zugespitzt.
Topalows junger Sekundant Iwan Tscheparinow spielte dabei im B-Turnier das Versuchskaninchen. Der 21-Jährige traf auf Nigel Short. Der Brite hatte während der Toiletten-Affäre seine Häme kübelweise über das bulgarische Team geschüttet. Der pointierte Spott kam bei den Fans gut an - allerdings weniger bei Silvio Danailow, dem Manager von Topalow und Tscheparinow. Deshalb sollte Short im direkten Duell mit Missachtung bestraft werden. Der 42-Jährige reckte seinem bulgarischen Gegner zur Begrüßung die Hand übers Brett - doch der Weltranglisten-19. ignorierte sie. "Es war klar, dass er nicht wollte. Ich wartete aber, bis er ausgeschrieben hatte und hielt nochmals die Hand hin - Tscheparinow zuckte aber nur ablehnend mit den Schultern", berichtete Short wenig später. Weil der Engländer dies als "wohlüberlegte Provokation" empfand, schritt der Vizeweltmeister von 1993 zum Schiedsrichter und verwies auf den jüngsten Vorstandsbeschluss des Schach-Weltverbandes Fide, der den Handschlag verpflichtend vorschreibt. Der Referee erkannte deshalb Short den vollen Punkt zu. Das Schiedsgericht in Wijk aan Zee korrigierte indes die Entscheidung. Tscheparinow müsse sich schriftlich entschuldigen und Short vor der Partie die Hand reichen, dann käme es zur Neuansetzung. So geschah es und Short nahm den Favoriten in großem Stil auseinander.
Danailow hatte derweil schon längst angekündigt, dass Topalow auch in der neunten Runde des A-Turniers Kramnik die Begrüßung verweigere. "Da wird aber nichts passieren, weil beide Männer sind und nicht so kindisch wie Short", ätzte der Manager. Tatsächlich: Der Weltranglistendritte lehnte sich weit zurück, als Kramnik an den Tisch heraneilte, und stierte demonstrativ ins Turnierbulletin. Der Russe setzte sich ungerührt hin - ohne Handschlag.
Die Partie geriet nun zum Schlagabtausch. Der Bulgare opferte im zwölften Zug spektakulär einen Springer und später noch die Dame. Die brillante Variante hatte ausgerechnet Sekundant Tscheparinow vor drei Jahren vorbereitet und teilweise bis zum 40. Zug analysiert. Topalow hütete sie wie einen Schatz, um diesen "in einer wichtigen Partie zu nutzen". Durch den Triumph schob sich der 32-Jährige mit 4,5:4,5 Punkten wenigstens ins Mittelfeld und bis auf einen halben Zähler an Kramnik heran. Der 17-jährige Magnus Carlsen (Norwegen) führt trotz seiner ersten Niederlage gegen den Ungarn Peter Leko zusammen mit dem Berliner Lewon Aronjan (Armenien/beide 5,5).
Topalow führte seine Glanzpartie ausgiebig im Presseraum vor und dankte seinem Sekundanten Tscheparinow mehrfach für die vorbereitete Steilvorlage und vermied es konsequent, den Namen seines Gegners auszusprechen. Kramnik war jeglichen Kommentars überdrüssig - er konnte sich schlecht Shorts beißendem Spott anschließen. Der hatte nach seinem Sieg über Versuchskaninchen Tscheparinow frohlockt: "Es gibt noch einen Gott - und der ist kein Bulgare!"
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