: Die Fachärzte werden neidisch sein
■ Eine echte Pop-Dok aus dem Krankenhaus: „OP. Schicksale im Klinikum“, 20.15 Uhr, ZDF
Echt kann eigentlich nur besser sein als schlecht erfunden. Sofern die Verpackung ein wenig melodramatisch knistert und man für ausreichend gefälliges Beiwerk tüchtig genug in der Soap-Klamottenkiste kramt, wär's doch gelacht, sagte sich das ZDF, seien diese immer noch beliebten, doch langsam schwer ausgeleierten Weißkittel- Opern, die da Woche für Woche dutzendweise aus den Kanälen (auch dem eigenen) schwappen, nicht noch mal richtig zu toppen.
Wie attraktiv nämlich authentische Wirklichkeit wirken kann, war den ZDF-Spürnasen beim Fremdsehen ins Auge gefallen. Sogenannten „popular factials“, wie sie etwa die BBC pflegt, sagt Redakteur Dirk Rademacher, erfreuten sich großer Beliebtheit bei den Briten. Also machte man sich an eine deutsche Adaption. Dies als erster Sender versucht zu haben, ist ZDF-Chefredakteur Klaus Bressers ganzer Stolz. Mangels ähnlich griffigem Ausdruck in unserer Sprache wurde sie nun langatmig „dokumentarische Filmerzählung“ getauft.
Doch trifft die verworfene Bezeichnung Pop-Dok tatsächlich viel eher zu auf das absichtsvoll so zusammengemixte neue Gebräu aus „Schwarzwaldklinik“ mit Postkartenansicht zu Flügelhornmelodei, Reality-TV mit echt zuckendem Menschenherz in der Schüssel, Melodram, Medizin-Doku, Reklame für eine privatwirtschaftliche Riesenklinik und der clever- dezenten Selbstdarstellung einiger Hohepriester heimischer Heilkunst. So glaubt Eike Martin, leitender Anästhesist des abgebildeten Hospitals, sicher nicht zu Unrecht, „daß die Fachkollegen neidisch sein werden“. Hier werde „Medizin endlich mal gezeigt, wie sie wirklich ist“.
Auf Befragen räumt er dann aber doch ein, daß da doch einiges geschönt erscheint, die im Film zu beobachtende Freundlichkeit den Patienten gegenüber „im Alltag gar nicht durchzuhalten“ sei. Von Kostenhickhack bei Operationen wie überhaupt von den Schattenseiten unseres maroden Gesundheitswesens ist in dem „factial“ mit keiner Silbe die Rede.
Daß es sich dennoch lohnt, die rund zehn Schicksale im Klinikum zu verfolgen, bei denen es fast immer auf Leben und Tod geht, ist vor allem Lina zu verdanken. Die aufgeweckte Elfjährige leidet an einem seltenen Knochenkrebs. Tapfer, traurig, fröhlich ist sie der natürliche Star, den Dramaturg Zufall den sehr einfühlsam operierenden Autoren Ingeborg Jacobs, Heiner Gatzemeier und Kameramann Hartmut Seifert recht zu Beginn der einjährigen Dreharbeiten zuführte. Lina wird im Laufe der Serie ihr Bein verlieren, und man bangt mit ihr. Denn Lina will unbedingt wieder reiten. Ulla Küspert
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