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Die Explosion wieder spüren

Der Strausberger Michael Franke ist seit 44 Jahren der erste deutsche Baseballer, der sein Geld in der US-Profiliga verdienen will. Er muss sein Können beim Nachwuchs der Milwaukee Brewers beweisen

von MIKE FRIEDRICH

Das Gefühl war gut. Und er wollte es wieder spüren. Dieses Gefühl, als er zum ersten Mal mit dem Holzschläger den kleinen weißen Lederball traf. Es machte „Klack“. Explosion. Der Ball flog. Michael Franke ließ den Schläger fallen, rannte los. Das war vor sieben Jahren. Seitdem ist Baseball sein Leben.

Damals ging Michael mehr aus Langeweile zu dem Schnupperkurs, der den Kids in Strausberg die Scheu vor dem amerikanischen Volkssport nehmen sollte. Doch dann war er vom ersten Schlag an begeistert. Jeden Tag radelte er nach der Schule zum Sportzentrum, spielte und trainierte, bis es dunkel wurde und er den Ball nicht sah. Seitdem nennen ihn alle Mitch. Das klingt so schön amerikanisch.

Schnell avancierte Mitch zu einem der Leistungsträger der Strausberger Baseballmannschaft „Sun Warriors“. Und vor kurzem wurde er in die deutsche Nationalmannschaft berufen. Je besser er wurde, je härter er trainierte, desto größer wurde auch sein Wunsch, einmal für und von Baseball zu leben. Der Wunsch wird sich nun erfüllen. Als erster Deutscher seit 44 Jahren wird der 19-Jährige in der amerikanischen Baseball-Profiliga spielen. „Das habe ich Georg zu verdanken“, sagt Mitch.

Sein Coach und Mentor Georg Bull erkannte früh das Talent des Jungen. Bull, Initiator des Strausberger Baseballvereins, förderte das junge Talent wie keinen anderen aus dem Team. Oft trainierte der ehemalige Kapitän der deutschen Nationalmannschaft mit Mitch stundenlang weiter, wenn die anderen Spieler schon auf dem Weg nach Hause waren. Er schenkte Mitch seine ersten Baseballschuhe und zeigte ihm die Geheimnisse des Sports. Bull konnte aber auch hart sein. Vor versammelter Mannschaft schrie er seinen Lieblingsschüler an, wenn der nicht richtig spurte. „Georg hat mich tough gemacht“, sagt Mitch.

Im Herbst letzten Jahres stellte sich der Jungnationalspieler seiner bisher größten Herausforderung. Coach Bull besorgte ihm eine Einladung nach Phoenix ins Trainingslager der Milwaukee Brewers, einer von 30 Profi-Baseballvereinen in den USA. Mitch räumte sich nicht allzu große Chancen ein, als er in das Camp aufbrach. Schon öfters waren junge Baseballtalente aus Deutschland eingeladen worden. Lange sind sie nie geblieben. Auch bei Mitch sah es anfangs nicht gut aus. „Zu Beginn wollte man mich nicht mal bei den Übungsspielen mitmachen lassen“, erinnert er sich. Unbeeindruckt schlug er jeden Tag an die 1.000 Bälle, die ihm eine Ballmaschine in einem Drahtverhau im Achtsekundenrhythmus entgegenschleuderte. Zusätzlich absolvierte er Fang- und Wurftraining. „Ich wollte wenigstens die optimalen Trainingsbedingungen nutzen.“

Auf der schattigen Tribüne am Rand des Spielfelds machten es sich die Baseball-Talentsucher aus den ganzen USA bequem. Sie beobachteten durch ihre dunklen Sonnenbrillen das Treiben im Camp. Ausgestattet mit Stoppuhr und Radar-Guns scannten sie den Nachwuchs. Wie schnell laufen die Jungs, mit welcher Wucht schlagen sie den Ball? Immer öfter fiel den Scouts der kräftige „German Boy“ auf. „Ich konnte sehen, wie sie meine Werte in ihre Bücher schrieben. Da hatte ich schon so eine Ahnung.“ Am dritten Tag bekam er das Angebot: Einen Einjahresvertrag mit Option auf sechs weitere Jahre. Er zögerte nicht lang, faxte die Unterlagen zu seinem Vater nach Strausberg. Der musste für ihn unterschreiben, da Mitch mit 19 Jahren in den USA noch nicht als volljährig gilt.

Inzwischen ist die Freude ein wenig gewichen. Noch bereitet sich Mitch unbeschwert in Südafrika auf seine Aufgabe vor. Wenn er aber in vier Wochen in die USA aufbricht, liegt ein harter und beschwerlicher Weg vor ihm. In den vier Nachwuchsmannschaften der Milwaukee Brewers werden Talente systematisch gesucht, zum Teil gefördert, aber auch verheizt. Gerade mal fünf Prozent schaffen es bis in die „Major League Baseball“, der höchsten Liga. Erst da warten das große Geld und der Ruhm.

Bis er es dorthin geschafft hat, vergehen drei bis fünf Jahre – wenn alles optimal läuft und keine schweren Verletzungen auftreten. „Einfach wird es nicht werden“, sagt Mitch, „aber ich werde mich durchsetzen.“ Er sei „tough“ genug. Sagt jedenfalls sein bisheriger Trainer.

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