: Die Erde als Scheibe
■ „Phrasenmäher“ beim Kabarettfestival
Johannes der Fleischer alpträumte, das Universum sei ein CD-Spieler, die Welt nun doch eine Scheibe, nämlich eine CD und Gott lege seinen Finger auf „Eject“. Nicht nur derartige Spinnereien lassen den Eindruck entstehen, Frank Lüdecke alias der Fleischer sei geradewegs dem absurden französischen Film Delicatessen entsprungen. Ursprünglich hatte er Geiger werden wollen, erzählt er mit bedrohlich ruhiger Stimme und dem Schlachterkittel vorm Bauch. Er berichtet von seinem ganz normalen Bürger-Alltag, (“Mir geht's guut!“), wobei die Vermutung naheliegt, in den Abgründen seiner Seele brodele es gar gefährlich.
Seinem Kabarettpartner Werner (Achim Ballert) ist, seit er aus dem Koma erwachte, die Fähigkeit zum logischen Denken abhanden gekommen - „Ich bin kein richtiger Mann mehr“, und er versucht, seine Unterbelichtung durch ständiges Fotografieren zu kompensieren.
Mit wechselnden Akzenten präsentieren die Phrasenmäher verschiedene in ihrer Gewöhnlichkeit haarsträubende Charaktere (eben soetwas wie das Schwein und das Liebenswerte in jedermensch). Sie zeigen sehr gelungene, äußerst komplex-tiefgründige Bilder einer Einstellung, so der Titel ihres neuen Programms, aufgelockert durch satirisch verkitschte (doch, das geht zusammen!) Liedeinschübe. Mal läßt es sich herzhaft lachen, mal kribbelt's einem unter der Haut vor so viel deuschtümelnder Wirklichkeit. Freundlich, wütend und immer atemberaubend offensiv gaben Lüdecke und Ballert ein großartiges Fleischer-Psychopathen-Duo ab. Simone Ohliger
noch heute, 20 Uhr, Halle 1
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen