Die Ein-Personen-Versammlung

Wie schon auf der Kölner Domplatte hat Walter Herrmann, der Initiator der „Klagemauer“, auch in Berlin Probleme mit seiner Freiluftausstellung: Obwohl vom Kirchentag eingeladen, wurde er von der Polizei an der Gedächtniskirche nicht geduldet

von SARAH WILLEMS

„Die Stadt Berlin ist von ihrer bürokratischen Seite wenig kommunikativ“, kommentiert Walter Herrmann. Der 64-jährige Aachener Friedenspreisträger, der durch seine „Klagemauer für den Frieden“ auf der Kölner Domplatte bekannt geworden ist, meint die überbordende Papierflut, die seit dem 7. Mai 2003 zwischen ihm und den Behörden hin- und hergeht. Grund: Der von der katholischen Kirche zum Ökumenischen Kirchentag eingeladene Aktivist hat die aus mittlerweile mehr als 60.000 Kärtchen bestehende „Klagemauer“ als Veranstaltung auf dem Berliner Breitscheidplatz angemeldet. Motto für Berlin: „Gegen die Militärinterventionen im Irak und anderswo.“

Acht große, auf ein Gerüst montierte Tafeln, die unter anderem das brennende Bagdad, schwarz verbrannte Kinderkörper ohne Arme und weinende, über Särge gebeugte Verwandte von Bombenopfern zeigen, gehören zur Kundgebung. Die Tafeln sind aus Zeitschriften und hochkopiert und werden von Herrmann ständig aktualisiert.

Die Versammlungsbehörde hatte die Kundgebung „nicht bestätigt“ – mit der Begründung, es handele sich nicht um eine „öffentliche Versammlung“, sondern um einen Infostand. Herrmann hatte dagegen eine einstweilige Anordnung beantragt, damit seine Ganztagskundgebungen nicht durch „ordnungsbehördliche Interventionen gestört werden“. Genau aber die widerfuhr ihm. Vorigen Samstag hinderten ihn zwei Beamte brutal an seiner Kundgebung. „Dies ist eine verbotene Kundgebung“, sagten die Polizisten und hatten hielten das Fax des Oberverwaltungsgerichtes Berlin in der Hand, in dem der Polizeibehörde Recht gegeben wurde mit der Begründung, „dass die angemeldete Veranstaltung“ keine Versammlung sei. Dann begannen sie, dem Demonstranten seine Tafeln zu entreißen.

Walter Herrmann kennt das schon: 1996 hatte ihn die Stadt Köln von der Domplatte geräumt. Deswegen ist er auch flexibel. Nur wenige Minuten später kam er zum Ärger der Beamten mit neu gebastelten Schildern und anderen Antikriegstafeln an, die Geschehnisse wiederholten sich noch ein weiteres Mal.

Begonnen hatte die „Klagemauer für den Frieden“ 1991 zu Beginn des ersten Golfkrieges in Köln. 1998 wurde der ehemalige Lehrer und Künstler dann durch die Verleihung des Aachener Friedenspreises überregional bekannt. In diesem Jahr setzte sich Amnesty International für ihn in Köln ein, und so konnte er seit Beginn des diesjährigen Golfkriegs wieder auf der Kölner Domplatte stehen.

„Wir wollen öffentliche Plätze nicht dem Kommerz überlassen, sondern hier eine Diskussion von unten beginnen, die eine Voraussetzung für gesellschaftliche Veränderungen sind.“

Herrmann hat die Herausgabe seiner Tafeln verlangt und eine einstweilige Verfügung dagegen beantragt, dass die Berliner Behörden auf der „Grundlage der Bestimmungen des Versammlungsgesetzes“ gegen seine angemeldete Kundgebung einschreiten. „Wir sind ein Störfaktor für den Kommerz“, erklärt er sich das Verhalten der Polizei, die ihn auch am Sonntag an der Gedächtniskirche nicht aus den Augen ließ. Am Wochenende will er sich am Breitscheidplatz wieder blicken lassen, zur Not mit neuen Schildern.