Die Eigentumsfrage: Stadt Neudenken: "Da bleibt nur Abschalten"
Florian Schmidt von der Initiative Stadt Neudenken über die Möglichkeit eines Volksbegehrens zur Liegenschaftspolitik
taz: Herr Schmidt, seit fünf Jahren verspricht der Senat eine neue Liegenschaftspolitik. Warum ist bislang nichts passiert?
Florian Schmidt: Die Politik sieht nicht, dass eine radikale Umstellung der Stadtentwicklungspolitik dringend nötig ist. Das System Liegenschaftsfonds kann nicht von heute auf morgen umstrukturiert werden. Und da bleibt nur Abschalten: Wir brauchen ein Moratorium für Liegenschaftsvergaben, bis der Strukturwandel da ist. Ansonsten verspielt Berlin für immer wichtige Gestaltungsspielräume.
Was kann Stadt Neudenken, was die Politik nicht kann?
Wir sind unbefangen und breit vernetzt mit den Akteuren der Stadtentwicklung. Regierungen arbeiten langsam und hinter verschlossenen Türen. Oft bremsen interne Machtkämpfe Reformprozesse. Ein flexibles Netzwerk wie wir kann eine innovative Agenda aufstellen. Dabei können wir Politik sowohl beraten als auch erheblichen zivilgesellschaftlichen Druck aufbauen.
Im Senat streiten sich Finanz- und Stadtentwicklungssenator. Was macht Sie optimistisch, dass nicht weiter das höchste Gebot den Zuschlag bekommt?
Die Messe ist gelesen: Es gibt den Koalitionsvertrag zur Neuausrichtung der Liegenschaftspolitik. Zwar geht uns dieser nicht weit genug, aber die Richtung stimmt. Interessanterweise nehmen wir die Äußerungen des Finanzsenators eher positiv war. Er hat sich gegen Klientelpolitik in Form von Direktvergaben ausgesprochen und als Erster öffentlich Erbbau statt städtebauliche Verträge gefordert.
Sie setzen auf Erbbau – warum?
Mit Erbbau kann das System von Vermarktung auf gemeinwesenorientierte Regulierung umgestellt werden. Gemeinwesen bedeutet dabei sowohl höhere Einnahmen für die Kommunen durch Zinsen als auch die langfristige Sicherung von Freiräumen in der Stadt. Mit Erbbauverträgen können für jedes Projekt exakte Konditionen und Flexibilitäten bei Konkursen festgelegt werden.
Welchen Vorteil hätte der Senat?
Beim Verkauf von Grundstücken werden einmalige Erlöse erzielt. Das ist sinnvoll, wenn Grundstücke Massenware sind. Dann gibt es verschiedene Preissegmente, der Gewinn ist stattlich und trägt dazu bei, an anderen Stellen der Politik Gestaltungsspielraum zu haben. Da es jedoch nicht mehr so viele öffentliche unbebaute Liegenschaften gibt, sollte man diese halten – erstens um langfristige Zinserlöse zu erzielen, zweitens um die Vielfalt der Sozialräume zu stärken und drittens um für innovative Projekte die Eintrittshürde niedrig zu halten.
Warum treibt die Privatisierung von Wasser die Menschen mehr um als öffentlicher Grund und Boden?
Wir erleben eigentlich das Gegenteil: Die Initiative Stadt Neudenken hat enormen Zulauf, wir bekommen bundesweit Anfragen von Wissenschaft und Initiativen. Das Bodenthema hat riesiges Mobilisierungspotenzial. Mit unserem Liegenschaftsanzeiger, also einer Zeitung zur Liegenschaftspolitik, werden wir ab sofort die Öffentlichkeit informieren und die Menschen zum Mitmachen einladen.
Könnte es zur Liegenschaftspolitik auch ein Volksbegehren geben?
Gerade setzt sich die Gewissheit durch: Die progressiven Kräfte in der Politik könnten die Unterstützung der Menschen gut gebrauchen. Unsere AG Volksbegehren arbeitet auf Hochtouren und prüft verschiedene Szenarien. INTERVIEW: UWE RADA
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