■ Die EU muß auf die Annäherung Iran–Rußland reagieren: Iranpolitik ist Bündnispolitik
Der Bundestag hat in erfrischender Klarheit das Scheitern der Politik des „kritischen Dialogs“ konstatiert. Zugleich hat Bundesaußenminister Klaus Kinkel in ernüchternder Unklarheit deutlich gemacht, daß er den Gesprächsfaden mit dem Iran nicht abreißen lassen wolle. Dieser Faden ist derzeit zum Zerreißen gespannt, doch darf befürchtet werden, daß er wieder seine gewohnte Stärke gewinnt, wenn mit der Präsidentenwahl im Iran ein Teil der Täter von der politischen Bühne verschwindet. Die bedeutende Rolle des Iran in der Region wird dann, neben den Wirtschaftsinteressen, Grund genug sein, die Beziehungen zu reaktivieren. Und die Opposition wird sich erneut auf die Problematisierung der Menschenrechtsfrage beschränken. Bis zum nächsten Anschlag.
Ein solches Szenario ist zu erwarten, solange die deutsche Außenpolitik im abgestuften Reaktionsmuster bilateraler Beziehungen verbleibt und ihre strategischen Interessen in Abgrenzung zu denen anderer europäischer Staaten und der USA definiert. Dabei bietet gerade die geschlossene Reaktion der EU auf das Mykonos-Urteil eine gute Voraussetzung für eine menschenrechtsorientierte Politik des Containment.
Um im Iran etwas zu verändern, muß Gleichklang bei den internationalen Reaktionen herrschen. Allerdings wurden in den letzten Tage auch die Grenzen einer solchen Politik deutlich. Im gleichen Maße, in dem die westlichen Staaten auf Distanz zum Iran gingen, war eine Annäherung zwischen Moskau und Teheran zu verzeichnen. Von guten Beziehungen sprach Präsident Jelzin gegenüber seinem künftigen Kollegen Nateq Nuri, Beziehungen, die laufend vertieft würden. Wie tief das gehen kann, läßt sich an der angestrebten Atom- und Rüstungskooperation ablesen. Die Lieferung von russischer Atomtechnik im Wert von 2,7 Milliarden US-Dollar wurde bereits vereinbart, Waffenlieferungen von drei Milliarden Mark werden erwartet. Amerikanische Besorgnisse, der Iran könne in den Besitz von Atomwaffen gelangen, seien nicht von der Hand zu weisen, schreibt die russische Zeitung Nesawisimaja Gaseta.
Um darauf eine strategische Antwort zu geben, reicht es nicht, wenn die Nato gegenüber Rußland eine Politik der gleichzeitigen Einbindung und Ausgrenzung betreibt. Sie muß ihm eine klare Westorientierung bieten. Auch das muß eine deutsche Außenpolitik im Auge haben, wenn sie ihre Blicke auf den Iran konzentriert. Dieter Rulff
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