piwik no script img

„Die Dinge sind so“

■ Der bekannteste DDR-Transvestit, Charlotte von Mahlsdorf, gab jahrelang Informationen über seine Kunden an die Stasi weiter

taz: Warum zeichneten Sie 1971 die Verpflichtungserklärung?

Charlotte von Mahlsdorf: Ein bekannter Antiquitätenhändler hatte mich gefragt, ob er seine Standuhren aus den 20er Jahren, die er an Amerikaner verkaufen wollte, bei mir unterstellen könnte. Die Amerikaner kamen zu mir ins Gründerzeitmuseum, und ich verkaufte ihnen hier die Uhren. Die Stasi kam natürlich sofort ins Haus und setzte mich unter Druck. Die haben mir ein Schriftstück vorgelegt. Was will man da machen?

Was sollten Sie tun?

Die Stasi hatte kein Interersse an den Uhren, sondern an den Amerikanern. Das waren Militärangehörige. Und die Stasi wollte rauskriegen, welcher Garnision die angehörten, ob die Spionage betreiben. Die wollten auch von mir wissen, welche Besucher in mein Museum kommen, welche Kennzeichen deren Autos hatten. Ich sollte auf der Straße gucken, was da für Westwagen rumstanden.

Hat sich die Stasi irgendwie erkenntlich gezeigt?

Einmal habe ich 50 Mark bekommen, die habe ich gleich in die Museumskasse getan. Einmal gab's einen großen Präsentkorb.

1976 wurde die Akte geschlossen. Es hieß, Ihre Leistungen seien „unbefriedigend“ gewesen.

Die Amerikaner standen wieder vor meiner Tür. Ich habe sie bewußt nicht mehr reingelassen. Ich wollte mit der Stasi nichts mehr zu tun haben. Ich habe gesagt: „Kinder, ich habe keine Zeit für Beobachtungen. Ich muß mich um mein Museum kümmern.“

Nun verlangen einige, daß Sie das Bundesverdienstkreuz zurückgeben sollen.

Das ist mir für meine Leistungen gegeben worden. Ohne meine zwei Hände stünde heute nämlich kein Schloß in Friedrichsfelde und auch keins in Dahlwitz. Außerdem bin ich gezwungenermaßen in einen Teufelskreis hineingeraten. Daß ich das dann überhaupt habe durchhalten können, auch nervlich...

Am Sonntag werden Sie Ihr neues Museum in Ihrer neuen Heimat Schweden eröffnen. Eine getrübte Feier?

Die Dinge sind nun mal so. Interview: Jens Rübsam

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen