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„Die Demokratisierung soll verlangsamt werden“

■ Philip Dimitrow ist Stellvertretender Vorsitzender der „Union Demokratischer Kräfte“ (UDK) in Bulgarien

INTERVIEW

taz: Das Haus der Kommunistischen Partei ist abgebrannt. Jetzt überschütten sich Sozialisten und die Opposition mit gegenseitigen Vorwürfen. Was ist denn wirklich passiert in ihren Augen?

Philip Dimitrow: Das letzte Wort wird die bereits eingeleitete polizeiliche Untersuchung sprechen. Ich erwarte außerdem, daß heute eine parlamentarische Untersuchungskommission eingerichtet wird. Alles begann mit der Forderung, alle kommunistischen Symbole von öffentlichen Gebäuden, darunter auch vom Haus der Partei zu entfernen. Vor zehn Tagen drohten zwei Männer ultimativ mit ihrer Selbstverbrennung, wenn dieser Forderung nicht entsprochen werde.

Es ist schwer zu sagen, wer die Eskalation am schärfsten vorangetrieben hat. Es gibt auf allen Seiten Menschen, die Öl ins Feuer gießen. Im Rückblick entsteht der Eindruck, die Ereignisse vom Sonntag waren sorgfältig geplant. Tatsächlich stellt sich die Frage: Wer profitiert am meisten davon? Die Sozialisten haben zum Ansteigen der Spannung beigetragen. Unentschlossenheit und widersprüchliche Zusagen in bezug auf die kommunistischen Symbole haben das Klima täglich angeheizt.

Es ist das Stichwort Reichstagsbrand gefallen. War der Brand eine Provokation?

Nein, dafür gibt es keinerlei Beweise. Außerdem weiß ich nicht, ob die BSP in der Lage ist, überhaupt so einen Plan auszuhecken. Wenn ein Plan der BSP dahinter steckte, wäre er ohnehin gescheitert. Denn die Tausende von Zuschauern sind nicht in das Gebäude eingedrungen und haben es nicht geplündert. Trotz der 50 bis 100 Extremisten, die dies taten, blieb die Masse der Leute diszipliniert. Für die UDK ist dies sehr wichtig. Die große Mehrheit der Sofioter unterstürzten die UDK. Eine Plünderung des Parteihauses durch die Bevölkerung hätte die undemokratischen Tendenzen dieser Menschen unter Beweis gestellt und der UDK schweren Schaden zugefügt. Der politische Schaden für die UDK ist schon so groß genug.

Welche politischen Folgen werden die Ereignisse vom Sonntag haben?

Keine der großen politischen Gruppierungen denkt an Bürgerkrieg oder an Unruhen. Am Montag verließen die Sozialisten die Beratungen über die Einrichtung Runder Tische in den Kommunen. Ihr Argument war, in schwierigen Zeiten brauche man starke Organe vor Ort. Jetzt versucht die bulgarische sozialistische Partei, die Verantwortung für die öffentliche Ordnung auf den Präsidenten zu schieben. Die Absicht, so die Position des Präsidenten zu schwächen, wird den Prozeß der Demokratisierung weiter hemmen. Alle wichtigen gesetzgeberischen Impulse kamen aber von diesem Präsidenten. Der Demokratisierungsprozeß soll verlangsamt werden.

Interview: Axel Bühler, Sofia

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