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Die CDU in Brandenburg zerfleischt sich selbst

■ Nach der gescheiterten Länderhochzeit kämpft in der Minderheitenpartei jeder gegen jeden. Generalsekretär Thomas Klein will morgen die Vertrauensfrage stellen

Berlin (taz) – Der Anblick in der Lobby des Landtages von Brandenburg hatte Symbolwert. Im Hintergrund flimmerte die Rede des Fraktionsvorsitzenden der CDU, Peter Wagner, über den Bildschirm. Davor saß die Landesvorsitzende im giftgrünen Kostüm und suchte bei der Presse Verbündete. Während sich Wagner im Plenum den Ministerpräsidenten und dessen gescheiterte Fusionskampagne vorknöpfte, rechnete Carola Hartfelder mit den intriganten Parteifreunden ab. „Der Konflikt eskaliert“, diktiert sie einem Journalisten ins Mikrofon, „weil ich es so will.“

Die Niederlage von Manfred Stolpe bei der Abstimmung über die Hochzeit zwischen Berlin und Brandenburg wollte die CDU eigentlich zur politischen Abrechnung mit dem Ministerpräsidenten nutzen. Doch statt mit dem politischen Gegner beschäftigt sich die brandenburgische CDU nur noch mit sich selbst. Seit zehn Tagen tobt der offene Machtkampf. Wessis gegen Ossis, Fraktion gegen Landesvorstand, Blockflöten gegen Reformer. Niemand könne den Konflikt erklären, so kommentiert ein Mitarbeiter der Landtagsfraktion die Szenerie, es herrsche die „blanke Zerstörungswut“.

Mit einem Brief fing das Desaster an. In ihm hatte der Landesschatzmeister Klaus Krone fünf Tage nach der Volksabstimmung seinen Rücktritt erklärt und der Landesvorsitzenden Carola Hartfelder „Profillosigkeit“ und „Inkompetenz“ vorgeworfen. Kaum war diese Kritik öffentlich, begann die Gescholtene mit dem Aufräumen. Der Landesgeschäftsführer Ulf Leisner wurde per Telegramm mit sofortiger Wirkung und ohne Rücksicht auf Parteistatut oder Arbeitsrecht beurlaubt, weil er sich der Kritik Krones angeschlossen hatte. In der Landtagsfraktion erwirkte die Landesvorsitzende einen Beschluß, in dem der stellvertretende Fraktionsvorsitzende Thomas Klein zum Rücktritt aufgefordert wird. Der Versuch, auch den Fraktionssprecher und Klein- Intimus Holger Doetsch abzusetzen, scheiterte am Dienstag zunächst. Fraktionschef Peter Wagner konnte Carola Hartfelder überreden, einen zunächst gestellten Entlassungsantrag wieder zurückzunehmen.

Thomas Klein ist gleichzeitig Generalsekretär der CDU Brandenburg und gilt als eigentlich starker Mann des Landesverbandes. „Fortwährende Illoyalität“ wirft Carola Hartfelder ihm vor. Seit Monaten organisiere er Intrigen und „gezielte öffentliche Angriffe“ gegen die Landesvorsitzende.

Morgen kommt es im Landesvorstand zum Showdown. Klein will dort die Vertrauensfrage stellen. Wie der 25köpfige Landesvorstand entscheidet, ist völlig unklar. Beide Seiten nutzten die letzten Tage, um ihre Bataillone zu sammeln. Hartfelder sucht als gebürtige Brandenburgerin an der ostdeutschen Basis ihre Verbündeten. Westimporte wie Klein genießen dort wenig Vertrauen. Hartfelder würde bei einer Niederlage im Landesvorstand wohl vor dem politischen Aus stehen, doch gleichzeitig wäre der Bruch zwischen Fraktion und Partei nicht mehr zu übersehen. Verliert Thomas Klein den Machtkampf, so drohen seine Anhänger, würden mit ihm weitere wichtige Mitarbeiter und Mandatsträger ihren Hut nehmen, möglicherweise auch Peter Wagner.

Bei der Abstimmung über die Länderfusion hatte die Brandenburger CDU als einzige Partei ihre Anhänger mehrheitlich für die Fusion mobilisiert. Doch dieser Erfolg entpuppte sich für die CDU als Niederlage. Mit der starken Berliner CDU im Rücken hofften die Brandenburger aus ihrem Tief der letzten Landtagswahlen wieder herauszukommen. Im September 1994 fielen die profillosen Christdemokraten mit nur rund 19 Prozent der Wählerstimmen hinter die PDS zurück. Jetzt ist der Traum vom Zugpferd Diepgen ausgeträumt, der mühsam geschlossene Burgfrieden geplatzt.

Streit, Skandale und Intrigen haben bei der Brandenburger CDU Tradition. Zwei Landesvorsitzende und zwei Fraktionsvorsitzende verschliß die Partei in den letzten sechs Jahren. Mehrere Landespolitiker stürzten über Stasi- Vorwürfe. Mit der Veruntreuung von Fraktionsgeldern in Höhe von rund 600.000 Mark machte die CDU darüber hinaus Schlagzeilen.

Bei der CDU in Bonn und Potsdam wird schon händeringend nach neuem politischen Personal gefahndet. Ein möglicher Kandidat hat bereits selbst sein Comeback signalisiert: der letzte DDR- Innenminister und derzeitige Präsident von Hansa Rostock, Peter- Michael Diestel. 1992 hatte er sich mit dem Landesverband überworfen, mußte als Fraktionsvorsitzender zurücktreten. Jetzt, weiß Diestel zu berichten, hätten ihn viele Parteifreunde zur Rückkehr in die Landespolitik aufgefordert. Christoph Seils

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