■ Die Bundesanwaltschaft hält die PKK nicht mehr für terroristisch: Erfolgreiche Deeskalation
Erstaunliche Nachrichten aus Karlsruhe: Kay Nehm, der Generalbundesanwalt persönlich, gab gestern bekannt, daß die deutschen Sicherheitsbehörden die Kurdische Arbeiterpartei (PKK) nicht länger als terroristische Vereinigung einstufen. Gerade die Bundesanwaltschaft, ansonsten immer bereit, im Bereich des sogenannten Linksextremismus die Alarmglocken zu läuten, gibt Entwarnung. Die PKK, so Nehm, sei zwar nach wie vor latent kriminell, habe aber von Tötungsdelikten und Brandstiftung Abstand genommen.
Vorangegangen war diesem jetzt offiziell erteilten Gütesiegel bereits eine bemerkenswerte Deeskalationsstrategie. Ebenfalls entgegen sonstigen Gepflogenheiten in Karlsruhe nahm die Bundesanwaltschaft Entspannungssignale von PKK-Chef Öcalan ernst und schickte Emissäre nach Damaskus. Dabei wurde ein Deal ausgehandelt, an den sich bislang beide Seiten gehalten haben: Öcalan sicherte zu, die Bundesrepublik zukünftig aus der kurdisch-türkischen und innerkurdischen Auseinandersetzung herauszuhalten, und die Bundesanwaltschaft versprach im Gegenzug, die anstehenden Prozesse gegen PKK-Führungskader mit dem niedrigsten möglichen Strafmaß schnell und geräuschlos über die Bühne zu bringen. Dieser Deal zum beiderseitigen Nutzen funktioniert nun seit gut einem Jahr. Es gibt keine Anschläge auf türkische Läden oder Institutionen mehr, und die Monsterprozesse auf Basis des Paragraphen 129a (terroristische Vereinigung) gegen PKK-Funktionäre gehören ebenfalls der Vergangenheit an.
Das eröffnet auch neue Perspektiven. Die Einschätzung aus Karlsruhe gibt dem Innenminister die Möglichkeit, das Verbot der PKK aufzuheben und so die Situation weiter zu entspannen. Damit wäre die Voraussetzung geschaffen, auch weitergehende Verhandlungen oder Absprachen mit der PKK anzubahnen. Es ist seit langem offenkundig, daß der Krieg in Kurdistan, die Blockade der türkischen Politik, ohne Vermittlung von außen nicht zu knacken ist. Hier böte sich für die Bundesregierung, für die EU insgesamt vielleicht die Chance, einen konstruktiven Beitrag zur Demokratisierung in der Türkei zu leisten.
Der Bundesanwaltschaft kann man nur empfehlen, die Flexibilität, die sie gegenüber der PKK gezeigt hat, auch im Verhältnis zur RAF zu beherzigen. Sie hätte der Bundesrepublik einiges ersparen können. Jürgen Gottschlich
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