: Die Binnenhafenmeisterschaften
In Nordrhein-Westfalen sollen mehr Güter per Schiff transportiert werden. Aber welche Häfen ausgebaut werden, ist im Einzelfall heiß umstritten
AUS KÖLN DIRK ECKERT
Die Binnenschifffahrt-Branche in Nordrhein-Westfalen boomt. Rund ein Viertel aller Güter wird hier auf Schiffen transportiert, und Experten prophezeien, dass es bald noch mehr werden. Ob chemische Erzeugnisse, Baustoffe, Schrott oder Container – all das verfrachten schwere Lastschiffe täglich von Amsterdam, Rotterdam und Antwerpen, den so genannten ARA-Häfen, den Rhein hinauf. Mit der Folge, dass Europas größter Binnenhafen in Duisburg 2004 ein Rekordergebnis von erstmals über 50 Millionen Euro Umsatz verzeichnete.
Um die Lastschifffahrt noch weiter und gezielter zu fördern, hat die Landesregierung noch unter Rot-Grün im vorigen Jahr ein Wasserstraßen- und Hafenkonzept verabschiedet. Seitdem wurden auf zwei Hafenkonferenzen so alle Interessierten an einen Tisch gebracht. Die neue schwarz-gelbe Landesregierung will daran anknüpfen, NRW-Verkehrsminister Oliver Wittke (CDU) hat für Ende des Jahres eine erste Bilanz angekündigt. „Wir werden an diesem Konzept festhalten, denn die Binnenschifffahrt hat für das Land einen hohen Stellenwert“, bekräftigte Wittke nach seinem Amtsantritt gegenüber dem Branchenblatt Binnenschifffahrt. „Gerade im Transitland Nordrhein-Westfalen kommt der Binnenschifffahrt eine ganz besondere Bedeutung zu, weil sie ein umweltfreundlicher Verkehrsträger ist und noch freie Kapazitäten hat, was sie sich – was die Kapazität anbelangt – weder von der Straße noch von der Bahn sagen lässt.“
Die Branche freut sich über die Unterstützung. „NRW ist das einzige Bundesland, das sich in dieser Form mit der Binnenschifffahrt auseinander gesetzt hat“, lobte Jens Schwanen, Geschäftsführer des Bundesverbandes der Deutschen Binnenschiffahrt (BDB), das Hafenkonzept. Allerdings: Das Land hat bei Häfen und Wasserstraßen ohnehin nur begrenzten Gestaltungsspielraum. Denn die Häfen gehören den Kommunen oder privaten Unternehmen, Wasserstraßen sind Sache des Bundes. Im NRW-Hafenkonzept gehe es denn auch „zum großen Teil um die Verantwortlichkeit anderer“, musste der damalige SPD-Verkehrsminister Axel Horstmann bei der Vorstellung des vielgelobten Konzepts einräumen. Gerade dem Zustand der Flüsse und Kanäle ist aber die größte Sorge der Schifffahrer. Das Leck im Dortmund-Ems-Kanal, das den Verkehr nach Hamburg und Berlin im Oktober tagelang zu großen Umwegen zwang, hat das drastisch gezeigt. Nur der Rhein sei in einem „exzellenten Zustand“, so Schwanen.
Gute Voraussetzungen also für eine Hafenstadt wie Köln, die das Treiben an den Ladekais schon immer für ihre Wirtschaft brauchte – im Mittelalter beispielsweise zwang die Domstadt unter Berufung auf das so genannte Stapelrecht alle durchreisenden Kaufleute, ihre Waren für drei Tage in der Stadt zu lagern und anzubieten. Erst vor fast 200 Jahren machte der Wiener Kongress mit dieser Handelsbeschränkung Schluss.
Heute ist Köln laut dem Statistischem Bundesamt nach Duisburg der zweitgrößte Binnenhafenstandort in Deutschland. 14,7 Millionen Tonnen wurden hier im vorigen Jahr umgeschlagen, darunter Schrott, Kohle, Container und Zellulose. Und der Hafen ist für Stadt und Region ein bedeutender Arbeitgeber. In Köln hängen an ihm schätzungsweise bis zu 5.000 Arbeitsplätze.
Industrie und Stadt setzen deswegen auf den Ausbau des Godorfer Hafens im Süden von Köln. Andernfalls drohe Köln zum Flaschenhals für den Güterverkehr zu werden, warnte Oberbürgermeister Fritz Schramma (CDU).
Doch endgültig beschlossen ist der Ausbau noch nicht. Nicht nur Naturschützer laufen Sturm gegen das Projekt, durch das 150.000 Kubikmeter Rückzugsraum für Hochwasser verloren gehen würden. Scheitern könnte der Ausbau auch an der neuen Ratskoalition, über die nach dem Aus der großen Koalition in der Domstadt gerade verhandelt wird und in der Grüne und FDP sehr wahrscheinlich Juniorpartner werden. „Ich bin zuversichtlich, dass der Godorfer Hafenausbau endgültig beerdigt wird, wenn Grüne und FDP sich gemeinsam einen Koalitionspartner suchen“, sagte FDP-Fraktionschef Ralph Sterck. Die Liberalen wie die Grünen halten den Hafenausbau für eine Fehlinvestition. „Häfen der heutigen Generation brauchen 20 Hektar Hinterland, damit alle logistischen Prozesse abgewickelt werden können“, kritisierte Jörg Frank, der Fraktionsvize der Grünen. In Godorf gebe es aber nur 5 Hektar. Als Alternative schlagen die beiden Parteien vor, den Niehler Hafen besser zu nutzen und vor allem „hafenfremden“ Nutzern zu kündigen. „Dann ist aus unserer Sicht die Erweiterung entbehrlich“, so Sterck.
Bei der Industrie stößt die FDP damit auf Unverständnis. „Erstaunlicherweise wenden sich insbesondere Politiker wirtschaftsnaher und ökologisch denkender Parteien gegen die Hafenerweiterung“, wunderte sich kürzlich IHK-Hauptgeschäftsführer Herbert Ferger.
Industrie und Schifffahrt haben noch ein weiteres Sorgenkind: Häfen werden immer häufiger mit Wohnungen bebaut. In Köln ist das im alten Rheinauhafen passiert. Reizvoll zwischen Alt- und Südstadt gelegen sollen in den teilweise denkmalgeschützten Hafengebäuden Gastronomie, Büros und Wohnungen entstehen.
So wird das Frachtgewerbe langfristig aus den Häfen verdrängt, fürchten Industrie und Binnenschifffahrt. Eine gefährliche Entwicklung, warnen sie, da ein Hafen als Knotenpunkt von Fluss, Straße und Schiene nicht ohne weiteres verpflanzt werden kann. Verkehrsminister Wittke hat den Schifffahrern zwar versichert, dass die Belange der Unternehmen durch Wohnbebauung nicht beeinträchtigt werden dürfen. Nur – das zu entscheiden ist immer noch Sache der Kommunen.