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Archiv-Artikel

Die Bestechlichen

Ein Oer-Erkenschwicker Ex-SPDler muss für seine Spendenaffäre zahlen. Der Filz der Stadt ist berühmt

Es war doch nur ein kleines Geschenk, sagen die Oer-Erkenschwicker noch heute. Ein paar bunte Sticker, rote Flyer, nette Plakate für den Wahlkampf 1999, gestiftet von einer städtischen Druckerei. Nur eine Quittung für die Parteispende, die wurde nie ausgestellt. Jetzt verlangt der Bund für die Parteispendenaffäre 80.000 Euro Schadensersatz vom Landesverband – der will das Geld am liebsten vom damaligen Ortschef Karl-Heinz Rusche. Wieder einmal büßt die Stadt für ihren Filz: Bislang wurde sie nur durch ihre Korruptionsfälle bekannt.

Die 30.000 EinwohnerInnen-Stadt zwischen Ruhrgebiet und Münsterland war einmal die sozialdemokratischste aller Städte in Nordrhein-Westfalen: Hier stimmten bei allen Wahlen weit mehr als 60 Prozent der BürgerInnen für die SPD. Auch einem Besenstil mit Partei-Logo würden die Erkenschwicker zujubeln, hieß es in der ehemaligen Bergbaustadt. Dort steht das Salvador-Allende-Haus der Jugendorganisation Falken, das einzige Gymnasium ist nach Willy Brandt benannt, SchulleiterInnen, Vereinsvorsitzende pflegten das Parteibuch. Doch dann kam Karl-Heinz Rusche. Der ehemalige Landtagsabgeordnete wurde von seiner Partei nicht mehr aufgestellt und gründete flugs eine neue: Die „Bürgervereinigung Oer-Erkenschwick“. Die gesplitterte SPD verlor ihren Oberbürgermeisterposten zum ersten Mal in der 50-jährigen Geschichte der Stadt an die CDU.

Rusches billige Plakataktion hat die Partei bis heute nicht verschmerzt. Denn sie war schon immer eins mit den Fabrikanten der Stadt. Der Wurstverarbeiter Barfuß, jetzt zu Westfleisch gehörend, ist nach wie vor der größte Arbeitgeber. Bundesweit bekannt wurde Oer-Erkenschwick denn auch erstmalig mit der so genannten Schmierwurstaffäre: Fünf Polizisten waren beschuldigt worden, Mitte der 1990er Jahre Wurstpakete von Barfuß angenommen zu haben. Dafür hätten sie bei Verkehrskontrollen der mangelhaften Salami-Transporter ein Auge zugedrückt. Bewiesen werden konnte ihnen das letztendlich nicht – aber noch heute riecht die Stadt bei Ostwind nach gekochter Fleischwurst. Immer wieder gab es Initiativen von BürgerInnen, Barfuß zu besseren Filteranlagen zu zwingen, bislang jedoch mit wenig Erfolg. Statt dessen stiftete die Firma lebensgroße Schweine aus Bronze. Sie stehen heute auf dem zentralen Platz in der Innenstadt, in Wurfweite zum Rathaus. ANNIKA JOERES