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■ Die Beerdigung eines GangsterbossesRonnie Kray in der Kiste

Dublin (taz) – Das hätte Ronnie Kray viel Freude gemacht, wenn er es noch erlebt hätte: Zu seiner Beerdigung am Mittwoch hatte die Polizei Sicherheitsvorkehrungen getroffen, wie sie das Londoner Eastend lange nicht erlebt hat.

Freilich hatte es ein solches Begräbnis auch noch nie gegeben: Der Sarg des ehemaligen Gangsterbosses wurde in einer offenen Kutsche von sechs schwarzgekleideten Pferden durch die Straßen gezogen, dahinter folgten 39 große Limousinen, ein halbes Dutzend davon bis zum Dach mit Trauerkränzen angefüllt.

Die Liste der Trauergäste las sich wie ein Kriminalroman aus den sechziger Jahren: Lenny „der Direktor“ McLean, König der illegalen Boxveranstaltungen; der Doppelmörder Charlie Smith, der für einen Tag Freigang bekommen hatte; Tony Lambrianou, der fünfzehn Jahre wegen Mords abgesessen hat; Freddie „die niederträchtige Maschine“ Foreman, nach Absitzen seiner Strafe für den Überfall auf einen Geldtransporter gerade wieder auf freiem Fuß; Johnny Nash, der Gangsterkönig aus Nord-London; Mad Frankie Fraser, der Schrecken der Polizei; Charlie Kray, der ältere Bruder; und Reggie Kray, Ronnies Zwillingsbruder, der während der gesamten Zeremonie mit Handschellen an einen kräftigen Polizeibeamten gefesselt blieb.

Die jüngere Generation beobachtete das Schauspiel von weitem. Viele waren auf Bäume und Laternen geklettert, um einen Blick auf die geriatrische Unterwelt zu erhaschen.

Die meisten Neugierigen waren noch gar nicht geboren, als Ronnie und Reggie Kray 1969 für die Morde an George Cornell und Jack „the Hat“ McVitie zu lebenslanger Haft verurteilt wurden. Cornell hatte Ronnie als „fette Tunte“ beschimpft, McVitie hatte die Zwillinge betrogen: Er hatte für einen Auftragsmord kassiert, ihn dann aber nicht ausgeführt. Das Gangsterpaar hatte seit den fünfziger Jahren eine Bande – „The Firm“ – im Eastend angeführt, die durch Schutzgelderpressung ein Vermögen machte.

Weil sie eine Menge Geld für medizinische Forschungen stifteten und Altersheime mit Geschenken überhäuften, galten die beiden bald als „Robin Hoods des Eastend“. Die Hollywoodschauspielerinnen Judy Garland und Diana Dors, die Boxer Sonny Liston und Joe Louis, die Politiker Tom Driberg und Lord Boothby gehörten zu ihrem Bekanntenkreis, über das Leben der Krays wurde sogar ein Spielfilm gedreht. Hinter der mildtätigen Fassade verbargen sich freilich zwei jähzornige Charaktere, die rücksichtslos gegen Leute vorgingen, die ihnen nicht paßten. Ronnie erwarb sich in der Unterwelt einen Ruf als Künstler, weil er seinen Opfern mit einem Rasiermesser symmetrische Muster ins Gesicht schneiden konnte.

Im Alter von 24 wurde bei Ronnie Kray paranoide Schizophrenie diagnostiziert, im Gefängnis wurde er deshalb in den hochgesicherten Krankenhausflügel gesteckt. Er heiratete zweimal im Gefängnis. Seine erste Frau Elaine Mildener ließ sich 1989 scheiden, Ronnie reichte im vergangenen Jahr die Scheidung von seiner zweiten Frau Kate Howard ein. Sie würde ihn betrügen, gab er als Begründung an.

Mitte des Monats wurde er nach einem Herzinfarkt – er rauchte täglich 140 selbstgedrehte Zigaretten – ins Wexham-Krankenhaus in Slough gebracht, wo er heute vor zwei Wochen im Alter von 61 Jahren starb. „Ronnie hat den Behörden ein Schnippchen geschlagen“, meinte sein Zwillingsbruder, der eine Dreiviertelstunde jünger ist, „er ist nicht hinter Gittern gestorben, wie sie es geplant hatten.“ Ralf Sotscheck

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