Die Auswirkungen der US-Finanzkrise: Amerika ist hier
Politiker und Experten können sich noch so beschwichtigend geben: Auch in Deutschland werden wir die Finanzkrise zu spüren bekommen. Und zwar jeder von uns.
BERLIN taz Bloß keine Panik - das ist die Botschaft, die Banken und Bundesregierung nun schon seit Wochen aussenden. Die Finanzkrise sei vor allem ein US-Phänomen, wird ständig beruhigt und die Widerstandskraft der deutschen Wirtschaft gelobt. Glaubt man dieser Weltsicht, dann können sich die Deutschen also entspannt zurücklehnen und mit leichtem Schaudern verfolgen, wie sich in den fernen USA hektische Nervosität ausbreitet. So schnell hat sich eine Ideologie noch nie gewandelt: Immerzu wurde die "Globalisierung" als das Signum unserer Zeit beschworen - und jetzt, plötzlich, soll sie nicht mehr stattfinden?
Das ist natürlich Quatsch. Jeder Deutsche wird die Finanzkrise zu spüren bekommen. So vergeht kaum ein Tag, an dem nicht ein Forschungsinstitut eilig seine Wachstumsprognosen nach unten korrigiert. Am Dienstag meldete das gewerkschaftsnahe Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK), dass es für 2008 nur noch mit einem Plus von 1,3 Prozent rechnet. Und es wäre erstaunlich, wenn sich die Zuversicht nicht noch weiter verdüstern würde.
Das bedeutet konkret: Menschen werden ihre Arbeit verlieren. Denn es reicht nicht, dass die deutsche Wirtschaft wächst, damit die Jobs gesichert sind - die Konjunktur muss mindestens um 1,5 Prozent zulegen, um die ständigen Effizienzsteigerungen zu kompensieren.
Besonders hart dürfte es die Angestellten in der Exportindustrie treffen, denn wenn 1 Euro rund 1,60 Dollar kostet, wird es schwierig, auf dem Weltmarkt zu bestehen. An dieser Stelle spendet die Bundesregierung stets den offiziellen Trost, dass Deutschland inzwischen vor allem in den Euro-Raum exportiere. Das ist nicht falsch. Nur fällt auch einem Italiener oder Franzosen auf, dass er für seine Euros neuerdings oft mehr bekommt, wenn er bei einer amerikanischen Firma in Dollars einkauft. Obwohl es so gut klingt, hilft der "einheitliche Währungsraum" den deutschen Exporteuren nicht wirklich weiter.
Um noch mal kurz beim Dollar zu bleiben: Wer kein Exporteur ist, neigt dazu, den Absturz der US-Währung mit einer gewissen Häme zu betrachten. Man gönnt es ihnen einfach, den Amerikanern, dass es ihnen nichts mehr nutzt, über die Weltwährung zu verfügen. Bei dieser Schadenfreude wird jedoch übersehen, wer den Wertverlust des Dollars bezahlt: Es sind jene gutgläubigen Ausländer, die den Amerikanern über Jahre hinweg Kredite gewährt haben, damit die USA ihre exzessiven Importe finanziert konnten. Auch viele deutsche Lebensversicherungen haben amerikanische Staatsanleihen im Depot - sie sinken nun kontinuierlich im Wert.
Überhaupt ist nur schwer abzusehen, wie sich die Bankenkrise auf das Vermögen der Deutschen auswirken wird. Die Börsenhändler selbst sind noch immer zwanghaft optimistisch: Neuerdings sind sie der Meinung, dass der deutsche Aktienindex DAX am Jahresende wieder 7.700 Punkte erreicht. Momentan allerdings liegt er nur bei rund 6.300 Punkten.
Wie es den Aktien ergeht, ist durchaus kein Luxusproblem, das allein die Reichen betrifft, obwohl es auf den ersten Blick so aussehen könnte: Nur 3,7 Millionen Deutsche besitzen privat Aktien, wie das Deutsche Aktieninstitut ermittelt hat. Doch obwohl der Kleinaktionär eher selten vorkommt, besitzt fast jeder Deutsche Aktien - via Lebensversicherung. In ihrem festen Glauben an die private Vorsorge sind die Bundesbürger ungeschlagen: 95 Millionen Verträge haben sie abgeschlossen, bei nur 82 Millionen Einwohnern. Die allermeisten von ihnen werden erleben, dass sich die Renditeversprechen nicht erfüllen, mit denen sie geködert wurden. Denn die Aktienkurse fallen, und die Zinsen sinken auch. Die Anleger können schon froh sein, wenn sie die Inflationsrate schlagen.
Die ganz Schlauen glauben nun, sie könnten sich absetzen, indem sie ins Gold umschichten. Davon kann man nur abraten. Auch dort hat sich längst eine spekulative Blase gebildet. Das ist ja gerade das Problem aller Anleger: Wann immer sie einen Gedanken fassen, können sie fast sicher sein, dass bereits die gesamte Herde in derselben Richtung unterwegs ist.
Ja, und was nun? Nix nun. Den ultimativen Anlagetipp gibt es nicht. Oder nur als Paradox: Am sichersten wäre für die Zukunft gesorgt, wenn jetzt kräftig konsumiert würde. Dann wächst die Wirtschaft garantiert.
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