: Die Aussichten für Italien: heiß bis heißer
„Wie Tunis“ sei Rom mittlerweile klimatisch aufgestellt, erklärt der Klimaexperte Dino Zardi in einem Interview mit dem Corriere della Sera. Die Daten geben ihm recht. Seit nunmehr drei Wochen erlebte die Ewige Stadt keinen einzigen Tag mit einer Spitzentemperatur unter 30 Grad, mehrfach wurden 37 oder 38 Grad erreicht.
Und gegenüber dem Vorjahr ging es noch einmal ordentlich nach oben. Im Juni 2024 lagen die Höchsttemperaturen im Monatsmittel bei 29 Grad, dieses Jahr dagegen bei fast 33 Grad. Auch in den nächsten Wochen soll es immer so weitergehen: Bis Mitte Juli soll es Tag für Tag, ohne Ausnahme, immer mindestens 35 Grad heiß werden.
„Im Sommer war es doch immer schon heiß“, wiegelt im Autobus ein Mann ab, im sich unter diversen Passagieren entspinnenden Gespräch über das große Schwitzen. Doch mit seiner Klimaleugnerei bleibt er allein. Gerade die Älteren erinnern sich wehmütig an vergangene Zeiten: Zeiten, in denen die Leute sich abends einen leichten Pulli über die Schultern warfen, wenn sie ausgingen. Den Pulli braucht es nicht mehr. Denn auf die extrem heißen Tage folgen die tropischen Nächte, in denen einfach weitergeschwitzt wird.
Die klimatische Verschiebung der letzten 30 Jahre ist schnell erklärt. Früher bescherte das Azorenhoch Italien das auch bei deutschen Tourist*innen so beliebte stabile Sommerwetter. Doch an seine Stelle ist das „afrikanische Hochdruckgebiet“ getreten, das Tag für Tag extrem heiße Luft vom Süden über das Mittelmeer schaufelt.
Da überrascht es nicht, dass mittlerweile die Hälfte aller italienischen Wohnungen mit Klimaanlagen ausgestattet sind. Schutz vor den Extremtemperaturen finden über Tag auch jene, die in Büros oder Geschäften ihrer Arbeit nachgehen; dort ebenso wie in Bussen und Bahnen gehört die Klimatisierung zur Standardausstattung.
Härter dagegen trifft es die, die unter freiem Himmel arbeiten müssen, die Erntearbeiter*innen auf den Tomaten- oder Melonenfeldern, die Arbeiter auf Baustellen oder in Steinbrüchen. Am letzten Montag fiel ein 47-jähriger Kleinunternehmer in der Mittagshitze auf der Baustelle einer Schule in der Provinz Bologna tot um, während er Bodenplatten verlegte. Das gleiche Schicksal hatte nur wenige Tage zuvor einen 50-jährigen Landarbeiter im süditalienischen Apulien ereilt.
Belastbare Statistiken über Hitzetote auf der Arbeit gibt es in Italien nicht. Doch viele Regionen, von der Lombardei im Norden über die Toskana und das Latium in Mittelitalien zu Sizilien, Apulien oder Kampanien im Süden, wollen jetzt mit Verordnungen gegensteuern. Sie untersagen die Arbeit im Freien in den heißesten Stunden von 12.30 Uhr bis 16 Uhr für die Landwirtschaft, das Baugewerbe, aber auch für Logistikbetriebe. Die Verordnungen bleiben bis Ende August, in der Lombardei oder der Emilia-Romagna gar bis zum 15. September in Kraft.
Die Gewerkschaften begrüßen die Maßnahme. Ihre Sorge ist jetzt jedoch, ob engmaschige Kontrollen für ihre tatsächliche Einhaltung sorgen, vorneweg in der Landwirtschaft, wo Tausende irregulär Beschäftigte oft bei weit über 40 Grad in der Sonne schuften. Michael Braun, Rom
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen