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■ Die Angst vor kopflosen Fröschen und geklonten Schafen ist keine Marotte einer identitätsfixierten Kultur. Eine Antwort auf Claus KochWarum Wissenschaft nicht alles darf

Die kopflosen Klonfrösche aus Großbritannien haben die Tagespresse in der vergangenen Woche weit weniger bewegt als das geklonte Schaf Dolly noch vor einigen Monaten. Offenbar beginnen wir, uns an die Gruselnachrichten aus der Genküche zu gewöhnen.

Das Gegenteil sollte der Fall sein. So müßte die Kritik an der europäischen Bioethik-Konvention, durch die kopflosen Frösche – und die Aussicht auf die Möglichkeit kopfloser Menschen – an Brisanz gewinnen. Denn diese Konvention läßt eine allgemeingültige Definition, was unter Mensch (human being) zu verstehen ist, vermissen. Die Bioethik-Konvention, die vom Bundesjustizminister schon als grundgesetzverträglich gebilligt wurde, überläßt, obwohl ihr Gegenstand der Schutz der Menschenrechte und Menschenwürde sein soll, die Definitionshoheit, was ein Mensch ist, bewußt den Unterzeichnerstaaten.

Daraus folgt zweierlei: Erstens wird dem bioethischen Bild vom Menschen in der Konvention Raum gegeben. Alzheimer-PatienInnen im Endstadium, WachkomapatientInnen und schwerstbehinderte Menschen etwa sind dem bioethischen Menschenbild zufolge „human vegetable“ (Peter Singer, australischer Euthanasiebefürworter), „bloß“ Mensch, aber nicht zugleich Person. Nur Personen verfügen laut Singer über Menschenwürde und -rechte.

Zweitens wird die Embryonenforschung legitimiert, denn aus der Sicht der Bioethik sind Embryonen keine Menschen. Und jetzt auch noch: die kopflosen Klonfrösche. In euphorischer Fortschrittsgläubigkeit präsentiert der Brite Jonathan Slack genmanipulierte Kaulquappen, die für ihn jedoch nur einen Zwischenschritt auf dem Weg zum eigentlich menschheitsbeglückenden Ziel darstellen: „Embryonale Säcke“ sollen durch „Abschalten“ bestimmter Gene erzeugt werden und dem Menschen als lebende Organbanken dienen. Ethische Probleme sieht Sack nicht, schließlich handele es sich bei einem embryonalen Sack ohne Kopf und Großhirn nicht um einen Menschen.

Die Ziele von Jonathan Sack zwingen uns, über Grenzen humangenetischer Manipulation neu nachzudenken. Die Frage lautet nicht mehr nur: Ab wann ist der Mensch ein Mensch und teilen wir die bioethische Definition des Menschen? Sie muß nun auch heißen: Soll die Schaffung menschenähnlicher Wesen, die ausschließlich als Mittel zum Zweck produziert werden, erlaubt und Ziel wissenschaftlicher Arbeit sein? Dürfen wir bei den im Reagenzglas erzeugten Embryonen „den Schalter umstellen“, ihnen ihren Kopf und die Möglichkeit nehmen jemals menschliche Individuen zu werden?

Claus Koch hält nun das Grauen, das Menschen angesichts des geklonten Schafes Dolly und der kopflosen Frösche heimgesucht hat, für einen Ausdruck irrationaler Furcht vor dem Verlust der menschlichen Individualität. Überhaupt werde die Identität heute zum „Überfetisch der ich- zärtlichen Kommunikationskultur“. Im Gegensatz zu Koch bin ich der Meinung, daß es angesichts der grundstürzenden Entwicklungen in Genetik und Biomedizin das Individuum und die ihm eigene Menschenwürde zu verteidigen gilt. Koch scheint Identität mit Individualisierung, die keine gesellschaftliche Verantwortung kennt, zu verwechseln.

Das Individuum zeichnet sich durch eine leibliche, seelische und geistige Einheit aus. Die Identität des Menschen wird nicht als Computerprogramm gedacht, sondern als angebunden an die leiblich- weltliche Struktur des Menschen. Wer wie Koch die Entfaltung der menschlichen Person von ihrer Naturbedingtheit abkoppelt, kann der Ersatztteillagermentalität der modernen Medizin nicht mehr viel entgegensetzen.

Die Frage nach dem Begriff, den wir uns von einem menschlichen Individuum machen, stellt sich auch im Rahmen der angestrebten Transplantaion transgener tierischer Organe und der in einigen Staaten bereits praktizierten Injektion embryonalen Hirngewebes zur Behandlung von Parkinson-Patienten. Richtig ist, daß der Mensch sich bisher schon mit einer wachsenden Zahl von Prothesen, sei es künstlicher oder auch tierischer Herkunft, ausgestattet hat. Mit der Transplantation genetisch manipulierter Tierorgane jedoch würde zum ersten Mal die Artgrenze massiv überschritten. Ein implantiertes Schweineherz macht aus einem Menschen noch kein Schwein. Da aber im Rahmen der Xenotransplantation die Ausbreitung von transgenen Zellen aus dem tierischen Ersatzorgan im menschlichen Körper ausdrücklich erwünscht ist, steht die Frage im Raum: Bis zu welchem „Mischungsverhältnis“ haben wir es noch mit einem menschlichen Wesen zu tun?

Verschärft stellt sich die Frage nach der Wahrung der menschlichen Identität auch angesichts der Injektion von embryonalem Hirngewebe in das Gehirn von Menschen, die an der Parkinson- Krankheit leiden. Die Ethikkommission der Medizinischen Hochschule Hannover hat Ende vergangenen Jahres ihre Zustimmung zu einem diesbezüglichen Teilforschungsprojekt erteilt. Bis vor kurzem wurde im Bereich der Xenotransplantation noch argumentiert, daß die sich im Körper ausbreitenden genmanipulierten Tierzellen in keinem Fall die Hirnschranke durchbrechen könnten und somit die Identität des Betroffenen gewahrt bleibe.

Doch um der Injektion embryonalen Hirngewebes in das Gehirn von Parkinson-Erkrankten eine ethische Unbedenklichkeitsbescheinigung auszustellen, fällt nun selbst diese biologistisch verengte, hirnzentrierte Definition von Identität. Der Neurophysiologe Detlef B. Linke fordert daher folgerichtig: „Die Frage danach, was personale Identität ist, muß dringend beantwortet werden, bevor Hirngewebeverpflanzungen vorgenommen werden, sonst läuft man Gefahr, sie womöglich durch eine medizinische Maßnahme auszulöschen.“

Die angestrebte Herstellung „embryonaler Säcke als Organbanken“, die geplante Xenotransplantation, das geklonte Schaf Dolly, das die „Verheißung“ menschlicher Klone transportiert, die genetische Manipulation des Erbgutes künstlich erzeugter Embryonen und die Verpflanzung von embryonalem Hirngewebe zwingen uns zu einer gesellschaftlichen Diskussion, deren Ziel der Schutz der menschlichen Identität vor biomedizinischen Übergriffen sein muß. Die Angst vor dem technisch entfremdeten Ich, die Claus Koch in den Bereich des biologistichen Aberglaubens verweist, ist kein irrationaler Reflex. Sie hat manifeste Gründe. Renée Krebs-Rüb

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