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Die Angst vor der NRW-WahlLiberale Flöhe machen CDU nervös

Mit konfusen Parteitagsreden demonstrieren Rüttgers und Merkel ihre Angst vor den Wahlen. Inzwischen reicht es nicht mal mehr zu Schwarz-Grün.

Große Gesten, große Sorgen: Rüttgers auf dem kleinen Parteitag am Montag in Berlin. Bild: dpa

BERLIN taz | Jürgen Rüttgers zählt bei den Christdemokraten offenbar immer noch für zwei, trotz aller Pleiten und Pannen in seinem nordrhein-westfälischen Wahlkampf. Zwei Wortmeldungen zur Rede der Parteivorsitzenden verzeichnete jedenfalls der offiziell im Amt bestätigte Generalsekretär Hermann Gröhe als Sitzungsleiter auf dem kleinen CDU-Parteitag am Montag in Berlin. Es sprach dann aber nur Rüttgers, und das fast so lange wie die Parteivorsitzende selbst.

Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident, der an eine Mehrheit mit der FDP wohl selbst kaum noch glaubt und nach jüngsten Umfragen selbst um das erhoffte Bündnis mit den Grünen bangen muss, trug seine nordrhein-westfälische Wahlkampfrede vor. Er beschimpfte SPD-Chef Sigmar Gabriel als "charakterlos", warnte vor den Linken, schonte die Grünen.

Er war nervös, nervöser noch als auf dem eigenen Landesparteitag am Samstag zuvor. Viel kühler und reservierter als die eigenen Leute in Nordrhein-Westfalen nahmen die Delegierten aus dem ganzen Bundesgebiet die wüsten Tiraden gegen die Sozialdemokraten entgegen, jener Partei, mit der die CDU im Bund bis vor Kurzem noch regierte, harmonischer jedenfalls und finanzpolitisch seriöser als mit der FDP.

Peinlicher Partner

Das Bemühen, sich vom peinlichen Partner abzusetzen, war jedenfalls auch am Montag nicht zu übersehen. Es begann am Morgen mit einem Radiointerview des nordrhein-westfälischen CDU-Generalsekretärs Andreas Krautscheid, der sein Verhältnis zur FDP mit den Worten beschrieb: "Man kann seinen Hund lieben, ohne auch seine Flöhe zu lieben."

Es ging weiter, als der baden-württembergische Ministerpräsident Stefan Mappus am Parteitagsmorgen das Foyer betrat und auf die Frage nach Steuersenkungen nur sagte: "Mir ist noch kein Ministerpräsident begegnet, der sagt: Es geht." Wenn man diese Realität zur Kenntnis nehme, verliere "niemand das Gesicht, auch die FDP nicht".

Es setzte sich fort in der Rede der Parteichefin Merkel, die gleich zu Beginn Fehler in der Regierungsarbeit einräumte. "Es hat viele gegeben, was vielleicht auch hätte vermeidbar sein können", sagte sie. "Wenn" es zu Steuerentlastungen komme, dann im Bereich von kalter Progression" und "Mittelstandsbauch".

Kasino eröffnet

Es gipfelte schließlich in der Rede von Rüttgers selbst, der seinen jetzigen Koalitionspartner kaum eines Wortes würdigte und in Attac-Manier die Banken bezichtigte, sie hätten "schon wieder das Kasino eröffnet". Merkel und Rüttgers suchten gleichermaßen die Kommunen mit dem Hinweis zu beruhigen, man werde ihnen in der eigens eingerichteten Kommission verlässliche Finanzquellen erschließen. Wie das bei gleichzeitigen Steuersenkungen gehen soll, sagten sie nicht.

Seit Rüttgers wegen der Sponsoring-Affäre unter Druck steht und sich sein FDP-Vize Andreas Pinkwart höchst ungeschickt von der Hotelsteuer absetzte, haben die beiden noch einen zusätzlichen Grund zur Panik: Eine Niederlage in NRW wäre nun auch ihre eigene Niederlage, nicht mehr nur ein Kollateralschaden schwarz-gelber Querelen in Berlin.

Sie würde einen Wahlverlierer Rüttgers dann einreihen in die lange Liste einstiger Merkel-Rivalen, die sich vor allem auch selbst ein Bein stellten. Unabhängig vom Wahlausgang weiß allerdings auch Merkel selbst nicht, wie es weitergehen soll mit Schwarz-Gelb in Berlin.

Man versteht, warum sie alle so konfus waren am Montag in Berlin.

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10 Kommentare

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  • A
    Amos

    Man sollte sich überlegen: Welchem Strohkopf gebe ich

    meine Stimme. Oder gebe ich denen die Stimme, die auch an das Allgemeinwohl denken.

  • C
    claudia

    >>Und Gott sprach auch zu Westerwelle:

    "Jeder Mensch ist zu etwas Nütze, und sei es nur als abschreckendes Beispiel".

  • J
    joHnny

    semper idem...

  • I
    iBot

    "Roland Koch, das Feindbild Nr.1 aller Linken, amtiert dort seit 13 Jahren unangefochten"

    ...zwschenzeitlich zwar mal geschäftsführend und ohne eigene Parlamentsmehrheit, aber das lässt sich durch eine geschickt lancierte Rotesockenkampagne ja ausbügeln.

  • W
    Wolfgang

    Und Gott sprach zu Rüttgers:

    "Einer von deiner Sorte ist genug."

    Und Gott sprach auch zu Westerwelle:

    "Jeder Mensch ist zu etwas Nütze, und sei es nur als abschreckendes Beispiel".

  • P
    pekerst

    "Mit konfusen Parteitagsreden demonstrieren Rüttgers und Merkel ihre Angst vor den Wahlen."

     

    Mit Verlaub: Wie viele Landtage werden gewählt? Wie viele Wahlen finden am 09.05.10 in NRW statt?

     

    Nur ein Landtag? Nur eine Wahl? Ach, warum dann die Schreibe von "Landtagswahlen"?

  • K
    Kommentator

    Witzig, Andreas Krautscheit gibt öffentlich seine eigene Verwahrlosung zu indem er sagt: "Man kann seinen Hund lieben, ohne auch seine Flöhe zu lieben." Gemeint war wohl "Man kann seinen Hund lieben, ohne auch dessen Flöhe zu lieben." :p

  • JB
    Joachim Bovier

    Herr Rüttgers täuscht sich, wenn er meint mit seiner Arbeiterrhetorik Wählerstimmen zu gewinnen, das Gegenteil wird der Fall sein: Er treibt die letzten Stammwähler der CDU zur FDP oder in die Stimmenthaltung. Das lässt sich am ständigen Niedergang der Budnes CDU seit Merkels Vorsitz ebenso belegen, wie in Hamburg, wo das klassisch hanseatische Bürgertum gerade die Gymnasien durch einen Volksentscheid gegen Herrn von Beust retten will.

     

    Umgekehrt sind Ministerpräsidenten dort erfolgreich, wo sie durch eine offensiv konservative Politik bürgerliche Mehrheiten erringen, wie in Hessen. Roland Koch, das Feindbild Nr.1 aller Linken, amtiert dort seit 13 Jahren unangefochten und hat schwierigste Situtationen durchgestanden, wo Andere längst kapituliert hätten.

     

    Herr Rüttgers, Frau Merkel und ihre sozialdemokratisierte CDU können davon nur lernen, nicht strategische Ausrichtung auf die Grünen wird den Abwärtstrend aufhalten. Will sie erfolgreich sein, muß es der CDU muss vor allem darum gehen, ihre konservativen Stammwähler zurückgewinnen, die die Kanzlerin in die Stimmenthaltung getrieben hat. Roland Koch überzeugt seine Anhängern durch Standvermögen, so ist der hessische Ministerpräsident in der Lage alle die zu mobilisieren, die sich Frau Merkel längst verweigern. Mut zu wirklich konservativer Politik ist gefragt, nicht, feige Anpassung an den sozialistischen Zeitgeist nicht.

    Herr Rüttgers betreibt das genaue Gegenteil. Er wird damit zurecht Schiffbruch erleiden.

  • X
    xonra

    Bei Politikern sollte der Wähler konsequent das Prinzip "Fördern (Wählen) und Fordern" anwenden. Wenn keine Leistung kommt, Abwählen!

    Über Sanktionen, wie Sperrung der Bezüge (Pensionen) wegen anhaltender Leistungsverweigerung, sollte dann der Wähler zusätzlich entscheiden können.

  • C
    claudia

    >>Es gipfelte schließlich in der Rede von Rüttgers selbst, der seinen jetzigen Koalitionspartner kaum eines Wortes würdigte und in Attac-Manier die Banken bezichtigte, sie hätten "schon wieder das Kasino eröffnet".