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Die Angst überwinden

■ Kleine Schritte gegen Rechtsradikale

Kleine Schritte gegen Rechtsradikale

Unerwartetes ereignete sich am 20.Dezember in Cottbus bei einer Klausurtagung des Brandenburger Juso-Landesvorstandes. Beim Frühstück in der Jugendherberge am Klosterplatz saßen nicht nur Jusos, sondern einige Rechtsradikale zu Tisch. Einer der Rechten trug ganz offen ein Hemd mit einer Abbildung von Adolf Hitler in der Nazi-Gruß-Pose. Darunter der Text: „Eastern European Tour“ mit den Orten und Daten dieser „Tournee“ – Warschau, Leningrad, Stalingrad...

Das offene Tragen von Nazi- Symbolen gilt in Deutschland als strafbar. Die Jusos diskutierten – nervös – über ihre Haltung zu diesem sehr provokativen und abscheulichen Auftritt der Rechten. Sie kamen zum Ergebnis, daß dieser Auftritt nicht unbeantwortet hingenommen werden kann. „Wir reden immer vom ,Wehret den Anfängen‘ und ,Nicht weggucken‘, nun sind wir in der Situation, wo wir aus Theorie Praxis machen müssen“, sagte einer. Nach Zustimmung der anderen Jusos wurde die Reaktion festgelegt. Zwei Jusos würden zu dem jungen Mann mit dem Hemd hingehen und erst einmal mit ihm reden. Sollte er die Argumente nicht einsehen, würden die Jusos ihn auffordern, das Hemd auszuziehen oder eine Strafanzeige zu riskieren.

[...] Man kam ins Gespräch mit dem Rechten. Er erklärte, daß er das Hemd anhabe, weil er zu Hitler stehe. Auf die Frage, ob er die Schreckenstaten des Nazi-Regimes billige, antwortete er, die seien alles Lügen. Da die Jusos sich entschieden hatten, nicht anonym oder feige den jungen Mann „anzuschwärzen“, wurde er nach der kurzen Aussprache direkt vor die Wahl gestellt: entweder Hemd weg oder Anzeige! [...] Er lehnte es ab, das Hemd auszuziehen. Ein anderer Rechter ging sofort zum Telefon. Wollte er in der gut organisierten Cottbuser Rechtenszene Unterstützung holen?

Vier Jusos machten sich auf den Weg zum Polizeipräsidium. Zwei Anlaufstellen der Polizei, die dort in der Nähe lagen, hatten zu. Eine Telefonzelle wurde aufgesucht, die 110 gewählt. Man gab uns die Nummer der Kripo. Der Diensthabende wollte zunächst nicht glauben, daß das offene Tragen von Nazi-Symbolen überhaupt strafbar sei. Man konnte ihn dennoch überzeugen, einen Polizeiwagen zur Jugendherberge zu schicken. Als wir wieder ankamen, standen zwei Uniformierte vor einer größer gewordenen Neonazi-Gruppe. Das zweite Mal mußte nun die Angst überwunden werden. Wir gingen hin und stellten uns den Rechten und der Polizei. „Das werden wir rächen“, sagte einer der Skins.

Wir gingen an ihm vorbei. Die Polizisten standen nun in der Eingangshalle der Jugendherberge und schauten um sich. Der mit dem Hemd war beim Auffahren des Polizeiwagens nach oben gegangen – das Hemd verschwand. Die Heimleiterin, die den jungen Mann mehrmals beim Frühstücken gesehen haben mußte, meinte auf Anfrage, sie hätte keinen mit einem Hitlerhemd gesehen. [...]

Es gab keinen anderen Ausweg, als die Polizei zu bitten, daß sie so lange wartete, bis wir unsere Klamotten zusammenpacken und die Jugendherberge verlassen konnten. Zunächst wollten die Polizisten – mit Hinweis auf das Bürgerliche Gesetzbuch – keinen „privaten Personenschutz gewährleisten“. Doch nach kurzer Aussprache waren sie bereit, den Jusos zehn Minuten zu geben, die Herberge zu verlassen [...] Wir packten alles zusammen und gingen zu den Autos. Ein Mädchen von den Rechten kam raus und notierte sich unsere Autokennzeichen. Kommt die Rache und die Vergeltung später? [...]

Was hat uns diese Begegnung gelehrt? 1.Wir können nicht nur reden und zum Handeln auffordern, sondern müssen auch in der Lage sein, zu Taten überzugehen und selbst zu handeln. [...] Auch die großen Demonstrationen in der Bundesrepublik können nicht symbolische Aktionen bleiben, sondern müssen durch tägliches Handeln ergänzt werden. 2.Wenn der Staat den Rechtsradikalismus wirklich bekämpfen will, muß engagierter auf Bürgerhinweise reagiert werden. Wir wußten nicht, was zu machen ist, welche Schritte getan werden konnten, um eine Strafanzeige zu erstatten. Die Polizei müßte in solchen Fällen dem Bürger besser raten können und nicht mit Hinweisen auf Richtlinen und Dienstvorschriften die Zivilcourage kaputtmachen. 3.Wir waren und verstehen uns auch heute nicht als Helden. Wir hatten Angst und waren verunsichert. Es kostet viel Überwindung und Kraft, solchen gewaltbereiten Skins und Neo-Nazis Auge in Auge gegenüberzustehen. Dennoch hielten wir es für richtig und wichtig, diese Aktionen durchzuführen und meinen, so muß – so gut es geht – auch in der Zukunft gehandelt werden. [...] Landesvorstand der Jusos in

Brandenburg

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