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Die Angst des Wortmanns

■ Wortschwallig oder mißverstanden, mutig oder infam? Peter Handke liest im Thalia aus seiner umstrittenen Reportage „Gerechtigkeit für Serbien“

Peter Handke gehörte bislang eher nicht zu den Skandalnudeln des Literaturbetriebs. „Ich bin ein Bewohner des Elfenbeinturms“, sagte er einmal über sich. Die von ihm verfaßten Schriften heißen Der kurze Brief zum langen Abschied oder auch Die Angst des Tormanns beim Elfmeter. Man tut Handke keinen Tort an, wenn man ihn als Protagonisten einer Schreibweise der Innerlichkeit bezeichnet.

Läse der Österreicher am Wochenende nur aus den genannten oder aus seinem vorletzten Werk Ein Jahr in der Niemandsbucht, würde ein Salon reichen, um das an ihm interessierte Publikum um ihn zu scharen. Allein, Handke hat für die allerletzte Sensation in der Branche des schreibenden Gewerbes gesorgt. Am 6. und 13. Januar veröffentlichte die Süddeutsche Zeitung die beiden Teile einer Reportage Handkes, das Resultat einer ausgedehnten Reise durch „Serbien“.

Der Bericht wäre kaum der ausführlichen Rede wert, wenn Handke nicht ex cathedra die Kriegsberichterstatter aus Bosnien – von Spiegel über die FAZ bis hin zur Libération und Le Monde – aufs Korn genommen und sie, salopp formuliert, der Stimmungsmache und Kriegshetze bezichtigt hätte. Der Autor beharrte darüber hinaus auf seinem Recht, aus einem Land zu berichten, das im juste milieu momentan einen ähnlichen Klang hat wie Auschwitz: aus Serbien – und eben nicht aus Sarajewo. Was Handke mitzuteilen hatte, war für ihn typisch: elegische, romantisierende, gelegentlich wortschwallige Eindrücke aus einer Region, die hierzulande nur mit Krieg und Verderbnis gleichgesetzt wird. Handke plädierte insgesamt nur dafür, nicht nur Krieg zu sehen, sondern auch den Alltag, der weitergehe, so oder so.

So weit, so unspektakulär. Im Gefolge seines Berichts hub nun ein Geschrei an, das schriller und mißverständlicher nicht hätte ausfallen können: Peter Schneider, die Schreibmaschine, die immer die Tasten am Puls der Zeitläufe hat, warf Handke im Spiegel Verharmlosung serbischer Kriegsgreuel vor; Filmemacher Marcel Ophuls in der taz nannte Handkes Text gar „infam“. Nur im Freitag würdigte Lothar Baier des Autors Mühe, mit literarischen Mitteln von Randständigem, nichtsdestoweniger Wichtigem berichtet zu haben.

Eigentlich sollte Handke seinen Bericht in Berlin öffentlich vortragen: Doch nach der taz-Schelte gab er beleidigt kund, die Hauptstadt zu meiden und stattdessen Hamburg als Forum zu wählen. Kommt ein neugieriges Publikum zusammen, könnte Handkes Text sogar richtig verstanden und aufgenommen werden. Denn daß der Bericht unter dem Titel „Gerechtigkeit für Serbien“ überhaupt gelesen wurde, darf bezweifelt werden: Die Süddeutsche Zeitung findet nördlich von Bayern nur geringe Verbreitung, und die Buchfassung ist noch nicht auf dem Markt. Jan Feddersen

So, 18. Februar, 20 Uhr, Thalia

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