: Die Angeklagten
■ Die zwielichtigen Karrieren der Angeklagten Nusser, Hockauf und Träger
Wegen seiner österreichischen Staatsbürgerschaft wird der 37jährige Josef Peter Nusser auf dem Kiez als „Wiener–Peter“ geführt. Er fuhr zur See und betätigte sich in Berlin als Kellner, bevor er sich ab 1973 auf St. Pauli vom Hotelangestellten bis zum Geschäftsführer diverser Etablissements hocharbeitete. Anfang der achtziger Jahre betrieb der Zuhälter mit Fritz Schröer, Dietmar Traub und „Ringo“ Klemm die „Chikago–Steige“ am Hans–Albers–Platz und, wiederum mit Traub und Schröer, das Haus A II im „Palais dAmour“ sowie zusammen mit seinem Freund Schindele den Bordellclub „88“ in Salzburg. Heute lebt von seinen damaligen Geschäftspartnern nur noch „Ringo“ Klemm, der vor seiner Flucht nach Costa Rica als der letzte große Boß auf der Reeperbahn galt. Nusser hatte zwar schon Ermittlungsverfahren wegen Zuhälterei, Erpressung und Körperverletzung laufen, wurde aber noch nie verurteilt. Seine Kiez–Karriere war dennoch zu Ende, als sein Freund, der Lude Gerd Gabriel, am 10. April 1986 verhaftet wurde und, um die eigene Haut zu retten, zum Kronzeugen avancierte. Tage später wurden Pinzner und Nusser verhaftet, kurz darauf Hockauf. Der aus dem schwäbischen Neckarsulm stammende blonde Armin Hockauf sieht mit seinen 27 Jahren immer noch fast wie ein Pennäler aus, dem man so viel Böses gar nicht zutrauen möchte. Aber Hockauf, ausgebildeter Kfz–Mechaniker, war der typische Aufsteiger aus dem Kiez, der ganz schnell zum großen reichen Mann werden wollte und sich wohl deswegen auch an die Fersen von Nusser heftete. Ab 1981 arbeitete er in Nussers Bordellen oberhalb des „Chikago“ und im „Palais dAmour“ als Wirtschafter. Über Klemms Vertrauten „Joe“ Marx lernte er Ende 1983 Wener Pinzner kennen, der damals in der Haftanstalt Vierlande eine zehnjährige Haftstrafe wegen Raubüberfalls absaß. Auch der 30jährige Siegfried Träger war früher ein harmloser Kfz– Mechaniker. Schon in seiner Heimatstadt Nürnberg befreundete er sich mit Zuhältern, deren Leben er dann wahrscheinlich so bewunderte, daß er selbst ab Sommer 1982 sein Glück auf der Reeperbahn suchte. Im Schleppnetz hatte er eine junge Arbeitslose, die er auf den Straßenstrich schickte, und der er den gesamten Verdienst abnahm. Das brachte ihm, neben anderen Verurteilungen in Nürnberg, eine Haftstrafe von 14 Monaten durch das Hamburger Amtsgericht ein. Nachdem er Ende 1984 entlassen wurde, lebte Träger hauptsächlich vom Geld seiner Ehefrau, die ebenfalls auf dem Strich arbeitete. Als ihn eine andere Prostituierte der räuberischen Erpressung bezichtigte, wurde er im September 1985 festgenommen, und sein Haus wurde durchsucht. Die Kripo fand eine „Smith & Wessen“, die wahrscheinliche Tatwaffe bei dem Doppelmord an Dammer und Kühne.
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