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■ Die AnderenDer "Standard" aus Wien kommentiert die Wahlen in Serbien / Zum Scheitern der serbischen Wahlen schreibt der Pariser "Figaro" / Der dänische "Politiken" kommentiert ebenso skeptisch

Der „Standard“ aus Wien kommentiert die Wahlen in Serbien: Fast alles ist am Tag nach der Stichwahl in Serbien noch in der Schwebe. Nur der gewaltige Rechtsruck ist eine Tatsache, an der niemand mehr vorbeikommt. Vojislav Šešelj sieht sich kurz vor dem Ziel, wenngleich ihm nach vorläufigem Auszählungsstand zur Übernahme des Präsidentenamtes noch ein Quentchen fehlt. Im Grunde war Šešelj eine Erfindung von Slobodan Milošević. Mit ihm als eisernem Besen wollte der frühere serbische und jetzige jugoslawische Präsident Andersgesinnte aus dem Land kehren. Nun scheint es, das Instrument wolle nicht mehr gehorchen, und der Zauberlehrling steht fassungslos vor dem Desaster. Möglich ist allerdings, daß Milošević auch aus dieser Niederlage für sich einen Vorteil schmiedet. So könnten bei den in zwei Monaten bevorstehenden Neuwahlen viele Bürger, die diesmal zu Hause blieben, aus Angst vor Šešelj einen Milošević-Sozialisten wählen.

Zum Scheitern der serbischen Wahlen schreibt der Pariser „Figaro“: Der Stimmenvorsprung des rechtsextremen Vojislav Šešelj zeigt die Verwirrung der serbischen Bevölkerung. Sie wollte das Regime der Ex- Kommunisten von Slobodan Milošević strafen, das ihr nur Isolierung auf internationaler Ebene und wirtschaftliche Pleite eingebracht hat. Versucht hatte sie das bereits, als sie zwischen November und Januar elf Wochen lang auf die Straße ging, um gegen den Schwindel des Regimes bei den Kommunalwahlen zu protestieren. Doch kaum hatten die Führer der siegreichen demokratischen Opposition das Rathaus in Belgrad zurückerobert, da begingen sie durch ihre internen Streitereien politischen Selbstmord. Der Volksprotest vom vergangenen Winter war Ausdruck der Hoffnung, daß Serbien schnell nach Europa zurückkehren werde. Diese Hoffnung hat nun das gute Wahlergebnis von Šešelj zunichte gemacht.

Der dänische „Politiken“ kommentiert ebenso skeptisch: Die Wahlen haben in keiner Weise eine Klärung gebracht. Eher das Gegenteil. In dem jetzt geschaffenen Vakuum ist der Weg frei, daß Präsident Milošević seine Taktik fortsetzen kann, die Opposition zu zersplittern, um sich selbst damit die benötigte Atempause zu verschaffen. Der Westen muß in dieser Lage Miloševićs Manöver genau beobachten. Die Krise im Kosovo mit der großen Mehrheit unterdrückter Albaner und die Krise im serbischen Teil Bosniens, wo zwei Flügel miteinander streiten, sind gefährlich glimmende Brände, die Milošević auflodern lassen kann, wenn es ihm nützt. Mit dem nationalistischen Falken Šešelj als stärker werdender Kraft könnte das Regime in Belgrad versucht sein, die nationalistische Karte noch einmal zu spielen. Das hätte katastrophale Folgen für den unsicheren Frieden auf dem Balkan.

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