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■ Die Anderen"La Repubblica" meint, daß die Türkei den kurdischen Exodus als Druckmittel nutzt / Die "Berliner Zeitung" kommentiert den Prozeß in Jerusalem gegen Steven Josef Smyrek / "Le Monde" befaßt sich mit dem kränkelnden Boris Jelzin

„La Repubblica“ (Rom) meint, daß die Türkei den kurdischen Exodus als Druckmittel nutzt: Die 825 Verzweifelten, die von der italienischen Küstenwacht in den kalabrischen Gewässern in Sicherheit gebracht wurden, stellen nicht nur einen neuen Rekord des kurdischen Exodus an unseren Küsten, sondern auch die besorgniserregende Eskalation eines Phänomens dar, das kaum mehr als traditionelle Immigration erfaßt werden kann. Ein so massiver Exodus kann selten ohne das Wissen der Behörden des Ausreiselandes erfolgen und gibt Anlaß zu dem Verdacht auf deren Beihilfe. Das Drohen mit einer kurdischen Invasion scheint in der Kraftprobe, die die Türkei in der Frage seiner europäischen Integration aufgenommen hat, als Druckmittel – wenn nicht nicht gar als Erpressungsmittel – zu dienen. Trotz des europäischen Widerstands gegenüber einer gemeinsamen Einwanderungspolitik wäre es wünschenswert, daß sich die Beteiligten an einen Tisch setzen und den Versuch unternehmen, den politischen und staatlichen Institutionen – und nicht der Mafia – das Entscheidungsrecht zu verleihen, wie viele Mitglieder des gepeinigten Kurdenvolkes emigrieren dürfen und wohin.

Die „Berliner Zeitung“ kommentiert den Prozeß in Jerusalem gegen Steven Josef Smyrek, der ein Selbstmordattentat in Israel geplant haben soll: Merkwürdigkeiten umgeben den Fall des jungen Deutschen. Isolationshaft ohne Kontakt zu einem Verteidiger, dubiose Anschuldigungen: Das läßt aufhorchen. Natürlich muß sich der Staat Israel gegen Terroristen jeglicher Herkunft schützen. Doch darf dies keine Ausrede dafür sein, die Grundprinzipien des Rechtsstaates zu ignorieren. Vorsicht ist zumal dann geboten, wenn, wie in diesem Fall, israelische Geheimdienste ihre Hand im Spiel haben, die in der jüngsten Vergangenheit eklatanter Fehler überführt wurden.

Im Zweifel für den Angeklagten: Sollte er ein Terrorist und nicht nur ein verwirrter Drogenabhängiger sein, so muß die israelische Justiz ihn in einem streng rechtsstaatlichen Verfahren seiner Schuld überführen.

„Le Monde“ befaßt sich mit dem kränkelnden Boris Jelzin: Bei jedem Niesen des russischen Präsidenten sorgt sich die gesamte Welt. Die Idee, daß eine der großen Nuklearmächte ohne Piloten ist, läßt einen erschauern. Dennoch ist die Lage weniger kritisch als vor Jelzins Herzoperation. Ein Mann spielt eine stabilisierende Rolle: Ministerpräsident Viktor Tschernomyrdin. Er würde für eine Übergangszeit einspringen. Die unermeßliche Weite und die Mannigfaltigkeit des Landes (ebenso wie seiner Probleme) machten jeden brüsken Orientierungswechsel schwierig. Die Zwänge, die Rußland durch seine Einbindung in den Weltmarkt und durch seine Kreditgeber auferlegt wurden, spielen die gleiche Rolle.

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