■ Die Anderen: "Le Monde" gibt den deutschen Medien eine Mitschuld an der Verstimmung zwischen Bonn und Paris / "Le Figao" zum deutsch-französischen Gipfel / Zu den Spannungen zwischen Deutschland und Frankreich schreibt "Financial Times"
„Le Monde“ gibt den deutschen Medien eine Mitschuld an der Verstimmung zwischen Bonn und Paris: Die Übereinkunft von Brüssel über die Präsidentschaft der Europäischen Zentralbank hat auf der anderen Seite des Rheins tatsächlich ein wahrhaftiges Psychodrama ausgelöst. Diese Einigung wird als eine Vergewaltigung des Vertrages von Maastricht angesehen. Seit Wochen hat die deutsche Presse nicht die Entschlossenheit von Jacques Chirac erkannt und mehrfach, „enthüllt“, daß Wim Duisenberg ein Mandat über acht Jahre habe. Nun verurteilen im Gegenzug die Medien wütend, daß Frankreich den Vertrag verletze. Die Deutschen sehen in dem Kompromiß eine politische Manipulation aus Paris, die den Verdacht nährt, Kohl habe den Franzosen die Mark verhökert, um deren Zustimmung zur Wiedervereinigung zu bekommen – wie dies vor allem vom Spiegel propagiert wurde. Sie sind beleidigt, weil sie mitansehen mußten, daß der Kanzler Chirac nachgegeben hat. Das Land ist aus allen Wolken gefallen, nachdem Helmut Kohl die Einigung gegen den Rat von Waigel und Tietmeier unterzeichnet hat.
Zum deutsch-französischen Gipfel in Avignon kommentiert „Le Figaro“: Der Gipfel von Brüssel war von einer Dunstwolke schlechter Stimmung umgeben. Diese hält nach der überraschenden Erklärung des deutschen Finanzministers Theo Waigel an. Ermutigt durch die Reaktionen, schreckt er nicht davor zurück, den erzielten Kompromiß in Frage zu stellen. Man muß hoffen, daß das deutsch-französische Treffen in Avignon die Dinge wieder zurechtrückt. Alle europäischen Börsen haben dies bereits ausnahmslos getan. Frankreich und Deutschland waren mit mehreren Präsidenten und Kanzlern in Folge gemeinsam am Ursprung der Währungsunion beteiligt. Gemeinsam haben sie den Euro durchsetzen wollen. Gemeinsam haben sie die anderen mit auf den Weg genommen – nicht ohne Schmerzen. Gemeinsam sind sie die zwei wirtschaftlichen und finanziellen Mächte des neuen Währungsraumes. Es wäre recht, wenn sie in Würde gemeinsam den Beginn dieses Wandels erlebten.
Zu den Spannungen in den Beziehungen zwischen Deutschland und Frankreich schreibt die „Financial Times“: Man sollte die französisch-deutschen Beziehungen von früher nicht idealisieren. Das besondere Verhältnis zwischen Paris und Bonn hatte seinen Nutzen für die Beteiligten und andere Mitglieder der EU vor allem dadurch, daß Frankreich und Deutschland solch unterschiedliche Länder und Gesellschaften geblieben sind. In den nächsten Jahren muß die EU im Vorfeld ihrer Erweiterung Finanzen und Politik reformieren. Diese Reformen dürfen und sollten nicht durch französisch-deutsche Vorabsprachen geprägt werden, könnten allerdings durch Streitereien zwischen Frankreich und Deutschland erschwert werden.
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