: „Die Akten gehören uns“
■ Wieder Demonstration vor Stasi-Zentrale in Ost-Berlin
Ost-Berlin. Rund 200 Sympathisanten der Besetzer der Stasi-Zentrale in Ost-Berlin versammelten sich erneut am Donnerstag nachmittag vor dem Hauptportal des Gebäudekomplexes, um ihrer Forderung „Die Akten gehören uns“ Nachdruck zu verleihen. Bereits zum zweiten Mal an diesem Tag stieß Volkskammervizepräsident Wolfgang Ullmann (Demokratie Jetzt) zu den 22 Bürgerrechtlern, die den Verbleib der rund sechs Millionen Stasi-Akten auf dem Territorium der ehemaligen DDR fordern. Gegenüber aufgebrachten Demonstranten warnte Ullmann davor, das amerikanische Akteneinsichtsrecht zu verlangen, welches jedem Bürger den Zugriff auf gesammelte Daten gestattet.
„Indem man eine zu weitgehende Forderung stellt, kann man eine jetzt durchsetzbare Forderung auch noch gefährden“, so der Politiker. Zudem würde die uneingeschränkte Akteneinsicht eine emotional aufgeladene Atmosphäre schaffen, die leicht außer Kontrolle geraten könne. Vom Parlament müsse nun endlich ein politisches Urteil gefällt werden, das die Stasi als verfassungswidrige und gesellschaftsschädigende Organisation brandmarkt.
Bei der halbstündigen Kundgebung machten Vertreter der Besetzer und der Mahnwache vor dem Tor nochmals auf ihr Anliegen aufmerksam und betonten, nicht eher zu weichen, bis ihre Forderungen erfüllt sind. Heftige Kritik wurde erneut an die Adresse von Innenminister Diestel (CDU) gerichtet und mit Beifall quittiert, daß der SPD-Vorstand am gestrigen Mittwoch den Rücktritt des Politikers gefordert hatte.
Die Forderungen der Besetzer bekräftigte am Donnerstag abend der 1976 aus der DDR ausgebürgerte Liedermacher Wolf Biermann. Unter Gelächter der Anwesenden sagte er zu seinem Auf- enthalt in dem Haus, die Stasi habe ihn so oft ungefragt besucht, daß er jetzt auch einmal kommen könne.
Für heute abend wurde zu einer neuerlichen Kundgebung vor der Stasi-Zentrale in der Normannenstraße aufgerufen.
adn/dpa
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