Die A 100 durch Berlin: Autobahn wird Ansichtssache
Senat legt Pläne für die Stadtautobahn aus. Bürger können ihre Einwände gegen die Verlängerung der A 100 zu Protokoll geben. Einfluss hat das aber nicht: Die Entscheidung für den Bau ist gefallen.
Durch die Verlängerung der A 100 entsteht im Süden Neuköllns ein neues Autobahndreieck. Auf sechs Spuren sollen 100.000 Autos täglich Richtung Norden rollen. Der Bau, der den unvollendeten Stadtring ein Stück weiter schließt, soll im Jahr 2011 beginnen und bis 2017 dauern. Die Kosten in Höhe von 420 Millionen Euro für den 3,2 Kilometer langen Neubau trägt der Bund. An der Grenzallee entsteht ein 385 Meter langer Tunnel. Vier Mehrfamilienhäuser müssen weichen. Die Pläne liegen vom 9. März bis zum 9. April auch im Rathaus Treptow (Neue Krugallee 4, Raum 22) und im Rathaus Neukölln (Donaustraße 37/38, Raum N 6006) aus. Im nächsten Schritt soll die A 100 bis zur Frankfurter Allee verlängert werden.
Die Planungen für die Verlängerung der Stadtautobahn 100 bis nach Treptow gehen in die nächste Phase: Ab dem 9. März können alle betroffenen Bürger ihre Einwände gegen das Projekt bei der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung geltend machen. Diese Bürgerbeteiligung ist gesetzlich vorgeschrieben. Doch Stadtentwicklungssenatorin Ingeborg Junge-Reyer (SPD) machte am Freitag klar, dass die Entscheidung jetzt bereits gefallen sei - also noch bevor die Bürger die Gelegenheit hatten, ihre Einwände anzubringen: "Wir sind nach eingehender Prüfung und vielen Fach- und politischen Diskussionen zu einem sehr eindeutigen Ergebnis gekommen: Die Wohngebiete im Berliner Südosten müssen vom Durchgangsverkehr entlastet werden." Die Autobahn bedeute "weniger Unfälle in den Quartieren", eine "deutliche Reduzierung von Umweltbelastungen für die Anwohner" und eine "grundlegende Neuorganisation des Verkehrs in Berlin".
Trotz dieser Vorentscheidung empfiehlt der Bund für Umwelt und Naturschutz allen Berlinern, sich an dem Verfahren zu beteiligen. "Wir wollen erstens ein massives politisches Zeichen setzen, damit der Senat sieht, wie groß die Ablehnung ist", sagt Martin Schlegel, Verkehrsreferent des Umweltverbandes. Außerdem können Anwohner in dem Verfahren zumindest mehr Lärmschutz für sich einfordern, wenn sich der Bau schon nicht verhindern lässt. Und drittens müssen alle, die gegen die Autobahn klagen wollen, vorher eine Einwendung schreiben, erklärt Schlegel. Sein Verband will daher auch eine Musterklage gegen die Autobahn unterstützen. Schlegel lehnt die Autobahn grundsätzlich ab, weil "Straßenbau Verkehr nicht verringert, sondern vermehrt. Dies bedeutet unter anderem einen deutlich höheren CO2-Ausstoß, der mit den Klimaschutzzielen Berlins nicht zu vereinbaren ist."
Auch der Grünen-Landesvorsitzende Stefan Gelbhaar fordert "alle Berlinerinnen und Berliner auf, persönliche Einwendungen gegen den Weiterbau dieser Autobahn einzubringen". Denn nicht nur die Menschen, deren Haus abgerissen wird oder die den Autobahnlärm gleich vor ihrem Schlafzimmerfenster haben, zählen als Betroffene. An dem Verfahren können sich auch alle beteiligen, die sich bisher gerne im Treptower Park gesonnt haben - diese Erholung wird in Zukunft von den Abgasen der 60.000 Autos und Lastkraftwagen getrübt, die laut der Prognose des Senats über die Autobahn in die Straßen in Parknähe fahren werden.
Auch die wirtschaftlichen Argumente des Senats für die Autobahn überzeugen die Grünen nicht. Senatorin Junge-Reyer weist nämlich auch darauf hin, dass "mit der neuen Stadtautobahn ökonomisch bedeutsame Standorte in Nordneukölln, Friedrichshain und Lichtenberg für den Wirtschaftsverkehr besser erschlossen werden, was zu einer Aufwertung dieser Wirtschaftsstandorte führt". Der Grünen-Vorsitzende Gelbhaar erkennt in dem Projekt allerdings eine "Verkehrspolitik der Siebzigerjahre", die sich "gegen die Bedürfnisse der Anwohnerinnen und Anwohner" richte. Er zieht einen drastischen Vergleich: "Die A 100 wird der Berliner Transrapid werden: teuer, unnütz, bekämpft."
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu
Wanted wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen
Nach der Gewalt in Amsterdam
Eine Stadt in Aufruhr
+++ Nachrichten im Nahost-Krieg +++
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu und Hamas-Anführer
Gespräche in Israel über Waffenruhe
Größere Chance auf Annexion als auf Frieden
Krieg in der Ukraine
USA will Ukraine Anti-Personen-Minen liefern