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Diabolo im Decken-Gestänge

■ Publikum im Streß: Erst Wellen, dann große Augen machen, dann sogar noch selbst Bälle werfen / Jonglier-Profis aus Europa waren in Oldenburg

Schon vor dem Beginn der Veranstaltung brachte sich das Publikum mit La Ola-Wellen in Stimmung. Am Ende jonglierten dann alle ZuschauerInnen, und es gab Standing Ovations für die Jongliergala in der Oldenburger Weser-Ems-Halle. Natürlich saßen auch etwa 600 JongleurInnen am vergangenen Samstag abend im Publikum, die zum 5. Oldenburger Jong-lierfestival in die Stadt gekommen waren. Sie applaudierten auch dann, wenn mal ein Ball daneben ging.

In 17 Nummern zeigten ArtistInnen aus ganz Europa die Bandbreite der Jonglier-Kunst. Daß dabei nicht nur die Hände flink sein müssen, demonstrierte Timo Wopp. Mit dem rechten Fuß schnippte er Keulen in die Luft, fing sie mit der Kniekehle wieder auf oder balancierte sie auf seiner Stirn.

Mit seinem Zigaretten-Kunststück hatte er jedoch leichte Schwierigkeiten. Er wollte eine Zigarette anzünden, konnte aber das Streichholz nicht sehen. Zunächst warf er dabei eine Zigarette hinter seinem Rücken über die linke Schulter und schnappte sie mit seinen Lippen auf. Auf gleichem Wege sollte dann ein brennendes Streichholz ebenfalls zwischen seine Lippen gelangen. Das klappte allerdings erst beim vierten Anlauf, als es auf der Bühne heller war. Wundersamerweise brannte die Zigarette dann tatsächlich.

Den Höhepunkt der Gala bildeten jedoch nicht die klassischen Jonglier-Nummern voller atemberaubendem Tempo und halsbrecherischer Artistik. Die ruhigen, poetischen Stücke waren es, die das Publikum verzauberten, so zum Beispiel das Duo „Green Gift“. In enganliegenden blauen Trikotanzügen samt Kapuze, mit blauen Händen und Füßen kamen sie auf die Bühne. Rote Schultüten saßen als Hüte auf ihren Köpfen. Sie bauten Schlangen aus roten Hüten, stapelten Hüte aufeinander, setzten sich gegenseitig Hüte auf den Kopf, von wo sie mit einem Nicken wieder nach hinten herunter fielen.

In ihrer zweiten Nummer stapfte das Duo, nun ganz in Grün, hinter dem Vorhang hervor. Je zwei grüne aufblasbare Gymnastikbälle hatten sie zwischen Arme und Oberschenkel geklemmt. Dann rollten sie auf dem Bauch über die Bälle oder warfen sich gegenseitig drei Gymnastikbälle zu, genau in dem Rhythmus, in dem sonst ein Jongleur seine Hände bewegt.

Am weitesten löste sich Jörg Müller mit seinen „Tubes Mobiles“ von der klassischen Jonglage. Mit nacktem Oberkörper stand er barfuß mitten auf der Bühne und ließ fünf Metallröhren kreisen, die an stabilen Drähten von der Decke hingen. Mit hölzernen Klöppeln an den Fingern entlockte er den Röhren Töne, ganz wie bei einem riesigen Windspiel. Dazu lies er sie durch die Luft schlängeln oder lief selbst Slalom zwischen ihnen. Auch Röhren, die er noch so kräftig in die Luft schleuderte kamen – ähnlich wie ein Bumerang – immer wieder zu ihm zurück.

Am Ende der Show flogen 30 Gymnastikbälle ins Publikum, das die Bälle begeistert von Stuhlreihe zu Stuhlreihe warf und eine Zugabe forderte. Also versuchten zwei der Artisten, fünf Diabolos zu jonglieren. Diabolos sehen aus wie Eieruhren, sind aber aus Gummi und werden mit einer Schnur jongliert. Eines der Diabolos verkantete sich jedoch im Gestänge für Licht und Lautsprecher unter der Hallendecke und klemmt dort wohl immer noch.

Der Berliner Theater- und Filmregisseur Markus Papst hat die Jonglier-Gala zusammen mit dem Oldenburger Michael Möller konzipiert. Seitdem das 13. europäische Jonglier-Festival 1990 in Oldenburg stattfand, breitet sich das Jonglier-Fieber in der Stadt aus. Von Jahr zu Jahr wächst das Oldenburger Jonglier-Fest, das vom Zentrum für Hochschulsport an der Oldenburger Universität und dem Verein zur Förderung des Freizeitsports organisiert wird. Mittlerweile ist das Oldenburger Festival das größte in der Bundesrepublik. Bei der Jonglier-Gala war die Weser-Ems-Halle mit ihren rund 1.800 Sitzplätzen ausverkauft.

Elke Gundel

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