Deutschlands erste Zauberervereinigung: Verliebt in gezinkte Karten
Vor 100 Jahren wurde der Hamburger Magische Zirkel gegründet. Am kommenden Wochenende wird gefeiert - mit einer Galavorstellung des Kartenkünstlers Jan Logemann.
HAMBURG taz | Jan Logemann sitzt auf der kleinen Bühne, hinter sich ein brauner Vorhang, vor sich ein Tisch, und wedelt sich mit einem Spielkartenfächer in jeder Hand Luft zu. Plötzlich schiebt sich aus einem der Fächer der Joker heraus. Der Zauberer lächelt und legt die Karten auf den Tisch. Mit dem Joker fährt er darüber, so dass sich die übrigen Karten kurz aufrichten. Dann hebt Jan Logemann beschwörend die rechte Hand, sagt „huihuihui“ – und der Joker qualmt.
Die Bühne gehört zum „Magiculum“, Deutschlands einzigem Zaubertheater. Das unscheinbare Häuschen liegt hinter einem griechischen Restaurant im Hamburger Stadtteil Ohlsdorf, der Knast „Santa Fu“ ist um die Ecke. 30 bis 50 Gäste finden in dem Minitheater Platz, die Tapeten sind rot, der Stuck golden, die Decke ist ein nachtblau bemalter Sternenhimmel.
Er wolle „Menschen zum Staunen bringen“, sagt Logemann, und ihnen „schöne Momente schenken, die sie niemals vergessen“. Der 27-Jährige ist Deutscher Zauberermeister in der Disziplin Kartenkunst. Und er ist Mitglied beim „Magischen Zirkel Hamburg“, der ersten deutschen Vereinigung von Zauberern, die am kommenden Wochenende ihr 100. Jubiläum feiert.
Seit über 40 Jahren betreibt der Magische Zirkel Hamburg das Magiculum, am Sonntag wird Jan Logemann hier die „Meistergala“ bestreiten, zusammen mit seinem Zaubererkollegen Patrick Lehnen aus Bonn, mit dem er sich den Titel des Deutschen Zauberermeisters teilt. Im Juli fahren die beiden ins englische Blackpool, um bei der Zauberer-WM ebenfalls ganz vorne mitzumischen.
„Natürlich will ich Weltmeister werden“, sagt Logemann, der sich als „Wettkampftypen“ bezeichnet. Er nimmt sich gerne viel vor, um zu beweisen, was er kann. „Und ich enttäusche mich selten“, sagt er. Bereits vor elf Jahren, mit 16, wurde er Norddeutscher Jugendvizemeister. Titel seien gut fürs Renommee, meint Logemann. Allerdings bedeuteten die Zehn-Minuten-Auftritte bei den Duellen der Zauberer einen „fürchterlichen Stress“.
Logemann, Sohn eines Apothekers auf Fehmarn, „verliebte“ sich als Neunjähriger in ein gezinktes Kartenspiel. Ende der 90er Jahre waren er, sein älterer Bruder Hannes und ihr Freund Henning als „Baltic Magic“-Trio unterwegs. Auf Fehmarn hatten sie eine Monopolstellung und verzauberten Feuerwehr- und Stadtfeste, Geburtstage und Goldene Hochzeiten, später fuhr Mutter Logemann die drei ins nahe Lübeck. In der dortigen Zaubererszene galten die Insulaner als junge Wilde und als fingerfertige Kartenklopper.
Die erste deutsche Vereinigung von Zauberern gründete am 8. Mai 1912 der Hamburger Kaufmann und Zauberer Karl Schröder mit anderen Freizeit-Magieren.
45 Mitglieder hat der Verein derzeit, darunter zwei Frauen.
Mindestens 2.900 Berufs- und Freizeitmagiere zaubern bundesweit - so viele Mitglieder zählt der Magische Zirkel von Deutschland, die Hauptvereinigung der hiesigen Zauberer.
85 so genannte Ortszirkel gibt es deutschlandweit.
Lange waren Gaukler und Taschenspieler ehrlose Halbweltler, die man wegen ihrer Geschicklichkeit bewunderte und zugleich auf Abstand hielt. Erst im 18. und 19. Jahrhundert eroberte die Zauberei die bürgerlichen Salons und Theater. „Professoren der amüsanten Physik“ arbeiteten mit naturwissenschaftlichen Phänomenen und vermittelten Wissen über Elektrizität oder Magnetismus. Kinder bekamen Zauberkästen geschenkt, um ihre motorischen Fähigkeiten zu schulen – und ihre Rhetorik, denn „die Kunst der freundlichen Täuschung“ ist nichts ohne Inszenierung.
Als deutsches Gesicht des „Golden Age Of Magic“ galt Alois Kassner (1887–1970). Der Groß-Illusionist reiste zeitweise mit 20 Mitarbeitern sowie zwei Eisenbahnwagen voll Requisiten durchs Land und zauberte unter anderem einen Elefanten von der Bildfläche.
„Wir pflegen und fördern die Zauberkunst, die auf Geschicklichkeit und Täuschung der Wahrnehmung beruht“, sagt der Vorsitzende des Hamburger Magischen Zirkels, Thomas E. Gundlach. Versteht sich, dass er auch selbst zaubert. Er tritt mal als als Inspector Merlin auf, mal als Hans Schock, eine Parodie auf den niederländischen Zauberer Hans Klok.
Jan Logemann faszinieren die „1.000 Möglichkeiten“, die seine Karten bieten. Daneben kann er Münzen wandern, Kugeln schweben, Hasen verschwinden, Cola-Dosen erscheinen lassen. Logemann trainiert eher nach dem Lustprinzip, an seinen Tricks feilt er am liebsten vor Publikum. Patzer seien selbstverständlich tabu, sagt er, aber an den Zuschauerreaktionen könne er ablesen, ob die Kunststücke ankommen. Die Tricks verrät er nicht; dann wär’ der Zauber ja hin.
Während des Gesprächs spielt Jan Logemann ständig mit Karten, er sieht sich als Rund-um-die-Uhr-Zauberkünstler. Allerdings tut er sich schwer damit, auf Zuruf oder auf der Straße zu zaubern. „Ich bin kein Draufgänger“, sagt er. Auf der Bühne dagegen dreht Logemann auf, gibt den zaubernden Stand-up-Comedian und improvisiert.
Obwohl er von den Gagen gut leben könnte, wollte Logemann nie Berufszauberer werden. Dann müsste er die Hälfte der Zeit Aufträge akquirieren, sagt er. „Da würde mir die Zauberei schnell zur Last.“
Sein Geld verdient als Heilpraktiker, außerdem studiert er noch Medizin. Trickprofi ist er nur in Nebenberuf. Doch sobald er den Zauberkoffer geöffnet hat, weiß er nur, wie die Show beginnt und endet. Dazwischen, sagt er, lasse er sich davon überraschen, was für wundersame Dinge geschehen. Diese Leidenschaft, sagt Logemann, hält fürs ganze Leben.
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