Deutscher WM-Kader: Sturm und Zwang
Bundestrainer Joachim Löw gibt am Donnerstag den vorläufigen Kader für die WM in Brasilien bekannt. Aus dem Vollen schöpfen kann er nicht.
Der äußere Eindruck und die helle Stimme lassen zwar anderes vermuten, doch Miroslav Klose ist ein harter Kerl. Wenn all die Jünglinge um ihn herum nach Länderspielen ihre ausgiebigen Whirlpool-Gänge starten, wählt der bald 36-jährige Angreifer das Kontrastprogramm. „Ich gehe lieber ins Eiswasser, das ist gut für meine Regeneration.“
Mit diesem Hinweis ließ Klose beiläufig eines jener Mosaiksteinchen fallen, die ihm mit höchster Wahrscheinlichkeit einen Platz bei seinem vierten WM-Turnier bescheren werden. Trotz seines für einen Stürmer fast biblischen Alters, trotz seiner recht stotterigen Saison in der Serie A und der Verletzungen. Denn Joachim Löw braucht, das betont der Bundestrainer immer wieder, in Brasilien vor allem fitte Fußballer.
Die sind in Deutschland aktuell so rar gesät wie hochklassige Stürmer. Also haben Kandidaten wie Klose, die bekannt dafür sind, ihre vollen Kräfte zügig und sehr gezielt erreichen zu können, ausgezeichnete Karten bei Löw. Die jüngste Wiederauferstehungsbotschaft drang am Montagabend über die Alpen: Nach fünf Wochen Verletzungspause spielte Klose mal wieder für Lazio Rom – 19 Minuten lang, wobei er beim 3:3 gegen Verona kurz vor Schluss einen Elfmeter herausholte.
Ein Lebenszeichen aus der Ewigen Stadt, das dem Bundestrainer bei der fortschreitenden Versteppung der nationalen Stürmerlandschaft wieder etwas Hoffnung einflößt.
Härtefall Gomez
„Mit Blick auf die WM dürfen und werden wir keine Kompromisse machen“, erklärte Löw vor zwei Monaten strikt. Am Donnerstag steht nun die Bekanntgabe des vorläufigen WM-Kaders an – und mit ihr die Frage, wie kompromiss- und risikobereit der Chef bei seinen Angreifern ist. Auf Klose, der im Laufe seiner 131 Länderspiele gelernt hat, sich allen Wandlungen in der globalen Sturm- und Drangphilosophie anzupassen und im Sommer zudem den Rekord des Brasilianers Ronaldo (15 WM-Treffer) knacken kann, wird der Bundestrainer kaum verzichten. Aber sonst?
Kloses Serie-A-Kollege Mario Gomez, 28, konnte nach seinem Wechsel vom FC Bayern zum AC Florenz im Sommer 2013 wegen Verletzungen am Knie in dieser Saison sechs Monate lang nicht spielen. Gerade erst fiel sein im italienischen Pokalfinale geplantes Comeback aus. Gomez gilt als Härtefall in Löws Überlegungen.
Anderseits ist Löw überzeugt, dass in Brasilien die „Urkräfte“ des Fußballs die beteiligten Teams vor psychische und körperliche Zerreißproben stellen werden. Weshalb gelte: „Wir brauchen bei der WM die aktuell besten verfügbaren Spieler – nicht die theoretisch besten.“ Praktisch einer der besten Kicker im Land ist momentan Marco Reus. Der Dortmunder, von Trainer Jürgen Klopp zuletzt sehr erfolgreich von der Außenbahn ins zentrale Mittelfeld verpflanzt, ist in der Liga mit 16 Toren der treffsicherste Schütze mit deutschen Pass und könnte einen verkappten Neuner geben.
Spitzenkandidaten für einen Plan B
Gleiches gilt für Mario Götze, darüber hinaus hat Franz Beckenbauer dessen Münchner Teamkollegen Thomas Müller zum Spitzenkandidaten für einen Plan B auserkoren. „Er ist die Alternative, er kommt ja von der Mittelstürmerposition“, raunt Beckenbauer Richtung Löw, der gedanklich zudem mit Offensivkräften wie Kevin Volland, Pierre-Michel Lasogga oder André Hahn jonglieren dürfte. Oder mit Max Kruse.
Beim Chile-Spiel im März fehlte Gladbachs Stürmer auf Grund einer Formdelle im Aufgebot. Inzwischen hat sich der 26-Jährige gefangen, für den Traum von der WM seine Ernährung umgestellt. Gegen Mainz erzielte Kruse am letzten Samstag sein zwölftes Saisontor. Das könnte Qualifikation genug sein.
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