Deutscher Torwarttrainer Aserbaidschans: "Ich war wirklich geschockt"

Vor dem Länderspiel der DFB-Auswahl gegen das Team der Kaukasus-Republik spricht deren Torwarttrainer Uli Stein über die Zumutungen seines Jobs: "Das ist ein Fußball-Entwicklungsland".

"Wenn wir weniger als fünf Tore kassieren, bin ich sehr zufrieden" - Uli Stein (links) mit Aserbaidshans Nationaltrainer Berti Vogts. Bild: dpa

taz: Herr Stein, warum sind Sie ausgerechnet nach Aserbaidschan gegangen?

Uli Stein: Warum nicht? Das Angebot stimmte. Aserbaidschan ist ein schönes Land, Baku eine tolle Stadt. Sie ist sicher, viel Marmor, gutes Essen, sensationell. Aserbaidschan ist eben nicht Afrika

An ihre Zeit in Nigeria, wo sie ja auch Nationaltorwarttrainer waren, denken Sie ja nicht so gerne zurück.

Zu Nigeria fallen mir nur drei Worte ein: Korruption, Kriminalität, Katastrophe.

In Sachen Fußball ist Nigeria aber bedeutend stärker als Aserbaidschan. Da ist Ihr Wechsel an den Kaukasus ein Rückschritt.

Das stimmt. Nigeria spielt auf einem richtig hohen Niveau. Aserbaidschan ist ein Fußball-Entwicklungsland. Als ich die Spieler in Baku zum ersten Mal sah, da war ich wirklich geschockt. Die waren kaum trainiert. Oberligaformat würde ich sagen.

Den Fußballverband Aserbaidschans (8,2 Millionen Einwohner) gibt es seit 1992. Zwei Jahre später wurde er in die Uefa sowie die Fifa aufgenommen.

Seit 1996 nimmt Aserbaidschan an den Qualifikationswettbewerben für internationale Turniere teil. Die meisten Spiele wurden verloren. Tiefpunkt war ein 1:2 gegen Liechtenstein in der Quali für die EM 2000. Gewonnen hat Aserbaidschan immerhin schon gegen die Schweiz (Quali WM 1998), Serbien-Montenegro (EM 2004) und die Slowakei (WM 2002)

Nationaltrainer ist seit April 2008 der deutsche Weltmeisterspieler und Europameistercoach Berti Vogts. Er ist nicht der erste Weltmeister in Aserbaidschan. Vor ihm scheiterte Carlos Alberto Torres, der Kapitän des brasilianischen WM-Teams von 1970.

Der aktuelle Meister Baki FC kommt aus der Hauptstadt Baku. In der vergangenen Woche schied er gegen Lewski Sofia in der zweiten Runde der Champions-League-Qualifikation aus und trifft nun in den Playoffs der Europa League auf den FC Basel.

Das haben Sie mit Berti Vogts, den Cheftrainer, gut in den Griff bekommen?

Solche Ausgangssituationen wie die in Aserbaidschan sind für uns optimal, weil wir dann wirklich etwas aufbauen und bewegen können. Das ist uns hier in den letzten 16 Monaten auch gelungen. Wir sind mit der Entwicklung zufrieden. Das Team ist körperlich und spielerisch stärker geworden. Allerdings fehlen noch die passenden Ergebnisse. Ein 0:0 daheim gegen Liechtenstein als einziger Punkt in fünf WM-Qualifikationsspielen ist natürlich viel zu wenig.

Woran hakt es denn?

Die Spieler haben viel zu wenig Auslandserfahrung. Einer spielt in der Türkei. Einer in China, glaube ich. Der Rest in der "Yuksak Dasta". Das ist die 1. Liga von Aserbaidschan und die ist auf einem wirklich schwachen Niveau. Vor allem die Trainer in Aserbaidschan sind kaum oder gar nicht ausgebildet.

Nun spielen Sie gegen Deutschland. Was erwarten Sie?

Zunächst einmal ist es für uns nicht das Spiel des Jahres, wie vielleicht viele in Deutschland denken. Das sind die Matches gegen Russland, wegen der Geschichte. Aber es ist natürlich ein Höhepunkt. Wenn wir weniger als fünf Tore kassieren, bin ich sehr zufrieden.

Eine Frage zu Berti Vogts. Sie und Vogts arbeiten lange zusammen. Erst in Kuwait, dann in Nigeria und nun Aserbaidschan. Was macht die Arbeit mit Vogts für Sie so reizvoll?

Er ist einfach ein sehr guter Trainer. Er lässt mir freie Hand, und er redet mir nicht rein. Ich bin mein eigener Chef und trainiere die Torhüter wie ich denke, dass es am besten ist. Wir passen eben zusammen. Leider kann sich Berti nicht so gut verkaufen, sonst wäre er meiner Meinung nach ein richtig großer Coach.

Ihr Vertrag in Aserbaidschan läuft noch bis Ende des Jahres. Dann ist Schluss. Wohin geht es dann?

Vielleicht bleibe ich ja noch mit Berti hier in Aserbaidschan. Ich bin aber offen und wechsel überall hin, wo ich ein vernünftiges Honorar bekomme. Wer einmal in Nigeria war, der hat vor keinem Land der Welt mehr Angst.

Uli Stein zählte in den 80er- und 90er-Jahren zu den besten, aber auch umstrittensten Torhütern des deutschen Fußballs. Der heute 54-Jährige gehörte zum WM-Aufgebot 1986. Seit Anfang 2008 ist Stein Torwarttrainer der Auswahl Aserbaidschans. Cheftrainer ist Berti Vogts. Beide waren zuvor auch gemeinsam in Nigeria aktiv.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.