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Deutsche bei der VierschanzentourneeRasanter Werteverlust

Trotz guter Voraussetzungen fällt die deutsche Bilanz vor dem letzten Springen in Bischofshofen mau aus. Der Beste rangiert gerade mal auf Platz zwölf.

Vor allem für Severin Freund lief die Tournee enttäuschend. Bild: dpa

Das Selbstbewusstsein hat deutlich gelitten in den vergangenen Tagen. „Wir müssen schauen, dass wir mit Ach und Krach jemanden in die Top Ten bekommen“, sagt Werner Schuster. Vor dem abschließenden Springen der Vierschanzentournee am Montag in Bischofshofen liegen seine Adler kräftig gerupft darnieder.

Michael Neumayer, der 34-jährige Routinier aus Berchtesgaden, rangiert in der Gesamtwertung als bester Deutscher auf Platz zwölf. Direkt dahinter folgen Andreas Wank (Oberhof) und Andreas Wellinger (Ruhpolding). Auf den Plätzen 21 und 22 kommen mit Marinus Kraus, dem Aufsteiger dieser Saison, und Severin Freund die Nächsten.

Gerade für Severin Freund verlief die Tournee enttäuschend. Im Vorfeld war er von Trainer Schuster als „heißeste Aktie“ angepriesen worden. Spätestens nach dem Neujahrsspringen in Garmisch-Partenkirchen war die Aktie nichts mehr wert. Freund verpasste den Einzug ins Finale. Der gleiche Lapsus war ihm bereits 360 Tage zuvor in Bischofshofen beim Abschlussspringen der Tournee 2013 passiert. „Ich denke, dass ich daraus gelernt habe und mir das nicht wieder passiert“, hatte er vor wenigen Wochen noch recht zuversichtlich erklärt. Er hat sich geirrt.

Doch woran liegt’s? An mangelnder Fitness sicher nicht, schließlich haben sie den ersten Abschnitt der Saison gut mithalten können. Freund konnte sogar ein Springen in Lillehammer gewinnen. Entsprechend groß war der Optimismus vor der Tournee.

Sind es vielleicht die Nerven? Diese Vermutung hat Sven Hannawald geäußert. „Immer wenn es um die Wurst geht, klappt es nicht. Die haben ein mentales Problem“, sagte der einzige Tourneesieger, der während einer Austragung alle vier Springen gewinnen konnte. „Die Deutschen schüren hohe Erwartungen im Vorfeld, setzen sich selbst unter Druck. Ein paar gute Plätze im Weltcup heißen aber noch nichts. Diese Blockade kann man mit Mentaltraining in den Griff bekommen. Das hat bei mir auch geklappt.“ Bedingt. Schließlich musste Hannawald seine Karriere wegen eines Burn-out-Syndroms beenden.

Kritik und Trotz

Speziell Severin Freund reagierte auf diese Vorwürfe sehr gereizt. „Wir sind durchaus in der Lage, auch bei Großereignissen unsere Leistungen zu bringen“, sagt er fast trotzig. Lediglich der Beweis fehlt. Martin Schmitt war 2009 der Letzte, der eine Medaille in einem Einzelwettbewerb gewonnen hat – Silber von der Großschanze. Ansonsten gab’s Silber im vergangenen Frühjahr im Fleimstal sowie Bronze zwei Jahre davor in Oslo. Von den Olympischen Spielen 2010 war das Quartett Neumayer, Wank, Schmitt und Michael Uhrmann zurückgekehrt.

Die Betreuer im deutschen Lager sind sehr auf Harmonie und einen guten Teamgeist eingeschworen. Dies war möglicherweise in der Vergangenheit auch richtig, als Schuster ein neues Team aufbauen musste. Doch die Vorzeichen haben sich gewandelt. In der Breite ist die Mannschaft mit Freund, Wank, Wellinger, Kraus und Richard Freitag hervorragend aufgestellt – besser gar als die Österreicher.

Nettigkeit fliegt nicht

Die haben jedoch in Gregor Schlierenzauer und Thomas Morgenstern zwei Athleten, für die nur eines zählt: Siegen. In der Öffentlichkeit demonstrieren sie ihre Eintracht, intern jedoch versucht jeder, jeden noch so kleinen Vorteil für sich rauszuschlagen. Schlierenzauer hat sich mit einem eigenen Team vorbereitet.

Im Gegensatz dazu erscheinen die deutschen Springer als zu nett. Im Gegensatz zum Tourneebeginn formuliert Bundestrainer Werner Schuster seine Hoffnungen fürs letzte Springen sehr bescheiden: „Severin braucht jetzt wieder ein Erfolgserlebnis.“ In einem Monat finden die Olympischen Spiele in Sotschi statt. Da erwartet nicht nur Trainer Schuster wieder mehr: eine Medaille mindestens. Und gerne nicht nur eine im Teamwettbewerb.

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