Deutsche Protektion für Steueroasen: Liechtenstein war dem Bund schnurz
Ein internes Dokument, das der taz vorliegt, belegt: Bevor der Fall Zumwinkel in die Schlagzeilen geriet, hatte sich Deutschland noch für die Steueroase stark gemacht.
BERLIN taz Reisen ins Fürstentum Liechtenstein, in dem es mehr Banken als Hotels gibt, sollen nach dem Willen der EU einfacher werden. Am Donnerstag hat die EU die Aufnahme Liechtensteins zusammen mit der Schweiz in den Schengen-Raum beschlossen. Bevor die Grenzkontrollen fallen, müssen aber noch alle EU-Mitglieder das Protokoll ratifizieren. Deutschland hat EU-Innenkommissar Franco Frattini dazu aufgerufen, Liechtenstein keine Steine in den Weg zu legen: "Es ist einfach nicht möglich, eine Enklave im Zentrum von Europa zu haben."
Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) hatte in Brüssel angedeutet, seine Zustimmung von einer Kooperation Liechtensteins in Steuerfragen abhängig zu machen: "Grundsätzlich" sei man zur Ratifikation bereit, "aber natürlich muss auch das eingehalten werden, was der liechtensteinische Regierungschef zugesagt hat". Dieser bekräftigte in Brüssel zwar seine Bereitschaft zum Abschluss eines Abkommens mit der EU zur Betrugsbekämpfung. Doch Kooperation bei Steuerhinterziehung ist darin wohl nicht inbegriffen, denn die ist in Liechtenstein kein Straftatbestand.
Kurz vor dem Zumwinkel-Skandal hatte sich ausgerechnet die Bundesrepublik noch für die Steueroase stark gemacht. Laut einem internen Dokument des Finanzministeriums, das der taz vorliegt, wollten Kommission und einige EU-Staaten wie Spanien und Tschechien die Schengen-Aufnahme des Fürstentums von dessen Verhandlungsbereitschaft über das Betrugsbekämpfungsabkommen abhängig machen. Nur durch "nachhaltigen deutschen Druck erfolgte die Aufhebung der Vorbehalte", heißt es darin.
Der Steuerexperte von Attac, Sven Giegold, sieht darin einen Beleg, "dass Steueroasen für die Bundesregierung ganz normale Partner sind. Öffentlich wird kritisiert, hinter verschlossenen Türen wird sogar protegiert." Erst seit dem Fall Zumwinkel schlägt man in Berlin andere Töne an. Finanzminister Peer Steinbrück droht mit harten Maßnahmen gegen Liechtenstein wie eine Meldepflicht oder eine Art Quellensteuer für alle grenzüberschreitenden Überweisungen. Am Dienstag wollen die EU-Finanzminister über das Thema beraten.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Interner Zwist bei Springer
Musk spaltet die „Welt“
Nach dem Anschlag von Magdeburg
Wenn Warnungen verhallen
Historiker Traverso über den 7. Oktober
„Ich bin von Deutschland sehr enttäuscht“
Kaputte Untersee-Datenkabel in Ostsee
Marineaufgebot gegen Saboteure
Elon Musk greift Wikipedia an
Zu viel der Fakten
Aufregung um Star des FC Liverpool
Ene, mene, Ökumene