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Deutsche Online-Dschihadisten verurteiltKeyboard und Kalaschnikow

Der Anführer der Dschihad-Gruppe Gimf muss für 3,5 Jahre in Haft, weil er sich al-Qaida anschließen wollte. Die anderen Angeklagten bekamen mildere Urteile.

Gotteskrieg per Mausklick: Die verurteilte Gruppe stellte brutale Terrorvideos ins Netz. Bild: Dragon30 / photocase.com

MÜNCHEN taz | Nach acht Monaten ist am Dienstag der bisher größte Prozess gegen Online-Dschihadisten in Deutschland zu Ende gegangen. Das Oberlandesgericht München verurteilte den letzten der insgesamt acht Angeklagten, den Bremer Renee Marc S., zu dreieinhalb Jahren Haft. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass der frühere Schlosserhelfer al-Qaida unterstützt und um Mitglieder für die Terrorgruppe geworben hat.

Der heute 31-Jährige gehörte zur deutschen Online-Dschihad-Truppe "Globale Islamische Medienfront" (Gimf), deren Mitglieder von Österreich und Deutschland aus zwischen 2006 und 2008 Terrorpropaganda ins Internet stellten, die an Brutalität kaum zu überbieten war. So konnte über die Gimf-Seite eine Sammlung von Videos heruntergeladen werden, in denen irakische Gotteskrieger ihren Geiseln die Köpfe abschneiden.

Dennoch waren die anderen Angeklagten schon vor Wochen mit relativ milden Strafen davongekommen. Einer von ihnen war schwer psychisch krank. Ein anderer war 14 Jahre alt, als er sich von der Gimf einspannen ließ, und hat den Islamismus heute hinter sich gelassen.

Bei dem mehrfach vorbestraften Renee Marc S. hat das Gericht dagegen keine Milde gezeigt, zumal er nicht nur ein Video von Osama bin Laden zum Download angepriesen hatte. Nach Überzeugung des Gerichts wollte er sich al-Qaida anschließen und in einem ihrer Lager an der afghanisch-pakistanischen Grenze zum Kämpfer ausbilden lassen. Ausgestattet mit einem Empfehlungsschreiben eines deutschen Al-Qaida-Rekruteurs habe er im Mai 2007 mehrere Tage in einem Teheraner Hotel auf einen Schleuser gewartet, der dann aber nicht auftauchte.

Renee Marc S. hatte die Vorwürfe bestritten, sein Anwalt auf Freispruch plädiert. Dem Gericht reichten aber die Indizien aus abgefangenen SMSen, E-Mails und Telefonaten sowie Zeugenaussagen für eine Verurteilung.

Geheimdienstler eingeschleust

Der nun zu Ende gegangene Prozess hat nicht nur tiefe Einblicke in die deutsche Dschihad-Szene geboten, sondern auch in die Rolle der Geheimdienste bei Ermittlungen gegen Islamisten. So landete ausgerechnet der Kopf der Propagandatruppe GIMF, Irfan P. aus Weiden in der Oberpfalz, nie auf der Anklagebank. Warum nicht, erfuhr die Öffentlichkeit zum Prozessbeginn. Das Verfahren gegen ihn war eingestellt worden - später spähte Irfan P. als V-Mann für den Verfassungsschutz die Berliner Islamistenszene aus.

Merkwürdig war auch die erst vor wenigen Wochen bekannt gewordene zeitweise Unterwanderung der deutschen Gimf-Truppe durch einen Mitarbeiter des US-Instituts Site. Das beobachtet eigentlich dschihadistische Internetseiten, berät aber auch US-Behörden wie das FBI. Laut Aktenauszügen erschuf sich ein Site-Mitarbeiter eine Online-Legende, schlich sich in die Gimf ein und stellte der Truppe einen Server in Malaysia und kostenlose Software zur Verfügung.

Nach dem Urteil vom Dienstag überlegt die Verteidigung nun, in Revision zu gehen.

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