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Deutsche Medien immer internationaler

■ Verlage expandieren ins Ausland / Themen- und zielgruppenorientierte Publikationen im Aufwind Privater Hörfunk schreibt schwarze Zahlen / Käuferschwund bei Boulevardblättern

Hamburg (dpa) - Die deutsche Medien- und Verlagsbranche schließt das Werbe- und Vertriebsgeschäft 1988 trotz verstärkter Konkurrenz mit einem Zuwachs von jeweils etwa 3,5 Prozent ab. Nach Erhebungen des Zentralausschusses der Werbewirtschaft (ZAW) haben die Anbieter von Waren- und Dienstleistungen auf dem deutschen Markt rund 34,5 Milliarden Mark für Werbung ausgegeben. Ein Großteil davon floß in die breite Palette der Medienunternehmen.

Im vergangenen Jahr haben vor allem grenzüberschreitende Aktivitäten der führenden Verlagsunternehmen Beachtung gefunden. Auch die heimische Konkurrenz durch elektronische Medien drängte große deutsche Verlage zur Expansion ins Ausland. Gleichzeitig hielt jedoch ihr Engagement vor allem im Zeitschriftenbereich an, wo es eine große Zahl von neuen Titeln gab.

Die klassischen Illustrierten bemühen sich, die anhaltende Auflagenschwäche zu überwinden. So versucht der 'Stern‘ als Nummer eins dieser Kategorie, unter einem neuen Herausgeber den Platz als Magazin der 90er Jahre zu besetzen. Gebremst verlief auch die Entwicklung bei den niedrigpreisigen Massentiteln. Hier reicht offenbar der Anreiz eines günstigen Preises am Kiosk bei verwechselbaren Inhaltsangeboten nicht aus, dauerhaft Leser zu binden.

Dagegen hält das Interesse an themen- und zielgruppenorientierten, meist teueren, Publikationen ungebrochen an. Neuerscheinungen insbesondere in den Bereichen Technik und Ökologie wie 'High-Tech‘ vom Management Presse Verlag (München) oder 'Chancen‘ von der Verlagsgruppe Bauer sind charakteristisch für die anhaltende Dynamik des Zeitschriftengeschäfts. Auch die gehobenen Frauenzeitschriften haben immer noch eine Aufwärtstendenz. Das zeigen die Einführung von 'Elle‘, 'Viva‘ und 'Miss Vogue‘.

Von 450 Publikumszeitschriften werden derzeit zusammen über 100 Millionen Exemplare pro Ausgabe verkauft. Dies zeigt die Robustheit des Inlandmarktes und seine Bedeutung als Geschäftsbasis sowohl bei Anzeigen wie Pressevertrieb. Ein Marktkenner: „Hier wird in der Medienbranche trotz TV -Euphorie die Musik gemacht.“

Gleichwohl ungebremst verläuft die Entwicklung der privaten Funk- und Fernsehprogramme. Die Werbeeinnahmen, Gradmesser ihrer Attraktivität, wachsen mit steigender Verbreitung. So können die privaten Hörfunksender in Norddeutschland (RSH, Radio Hamburg, ffn) bereits schwarze Zahlen schreiben. Dagegen haben sogenannte alternative Radiostationen ohne ökonomische Basis teilweise schon wieder aufgeben müssen.

Bei den beiden rivalisierenden privaten TV-Sendern hatte SAT 1 bis zur Jahresmitte die Nase vorn. RTL plus konnte inzwischen nach Programmveränderungen und durch die Ausweitung in Nordrhein-Westfalen gleichziehen. Der Coup mit der erstmaligen kommerziellen Vermarktung der Bundesliga -Fußballspiele brachte einen spektakulären Imagegewinn für die Privaten. Eine ähnliche Strategie verfolgt die Bertelsmann-Tochter Ufa auch für Wimbledon und andere Sporthöhepunkte. Der Spitzensport gilt für die Wirtschaft derzeit als attraktives Zugpferd für Werbespots und Sponsor -Aktivitäten.

Bei den Zeitungen ist die Lokal- und Regionalpresse stabil. Überwiegend nachgebend ist die Tendenz bei den Boulevardblättern mit der Folge eines häufigen Wechsels im Redaktionsmanagement. Denn offenbar ist es den Blattmachern bei den sogenannten Kaufzeitungen noch nicht gelungen, die sich wandelnden Informationsbedürfnisse insbesondere von jungen Leuten abzudecken, um mit den elektronischen Medien mithalten zu können.

Unter den großen Zeitungshäusern scheint der Axel Springer Verlag als Nummer eins in der Bundesrepublik drei Jahre nach dem Tod des Gründers noch immer nicht zur Ruhe zu kommen. Um Anteile und Mitgestaltung bemühen sich verschiedene Interessenten, darunter Kirch, Burda und möglicherweise auch Bauer. Hier sind 1989 Überraschungen durch neue Gesellschafterformationen zu erwarten.

Wie sehr die Aktivitäten der deutschen Zeitungsverlage im Ausland gewachsen sind, zeigen die Engagements der WAZ -Gruppe und von Springer in Österreich und neuerdings sogar in Ungarn in Form von Gemeinschaftsunternehmen. Die Zeitschriftenhäuser bevorzugen das EG-Ausland wie Spanien, Frankreich und England. Hier sind abgewandelte deutsche Frauenzeitschriften teilweise besonders erfolgreich und haben sich neue Märkte geschaffen. Besonders Bauer und Gruner + Jahr sind in den anglo-amerikanischen Sprachraum vorgestoßen.

Bertelsmann als weltweit größter Medienkonzern konnte in überraschend kurzer Zeit die US-Schallplatten- und Buchverlage RCA und Doubleday in den Konzernverbund integrieren. Die Burda-Gruppe ist dagegen in jüngster Zeit besonders spektakulär in der UdSSR aufgetreten. Nach dem Riesenerfolg mit 'Burda-Moden‘ in russischer Sprache dient Burda jetzt der deutschen Wirtschaft Anzeigen in der sowjetischen Regierungszeitung 'Iswestija‘ an.

Dies alles zeigt, daß die deutsche Zeitungs- und Zeitschriftenpresse den Vergleich im internationalen Markt nicht zu scheuen braucht. Jeder erwachsene Bundesbürger kauft im Durchschnitt mindestens 2,5 Zeitschriften pro Woche beziehungsweise Monat. Damit rangiert der deutsche Markt unangefochten an der Spitze. Deshalb scheint auch das Auslandsinteresse am deutschen und künftigen europäischen Markt zu wachsen. Die Medien-Giganten Murdoch (Australien) und Maxwell (England) sowie Berlusconi aus Italien sind auf dem Sprung nach Mitteleuropa. Berlusconi hat sich an dem Münchener Privat-TV-Sender Tele 5 beteiligt. Maxwell sucht seit einigen Monaten eine Verbindung zu einem deutschen Medienhaus und Murdoch hat seine Fühler ebenfalls ausgestreckt.

Der Kommunikationsmarkt ist heute in Deutschland heiß umkämpft. Branchenexperten rechnen nach 1992 in einem gemeinsamen europäischen Markt mit einer Welle der Konzentration bei den elektronischen und Printmedien. Dazu ein Kommunikationswissenschaftler: „Die Bäume werden aber nicht in den Himmel wachsen, denn kein Mensch kann mehr als 24 Stunden am Tag lesen, hören und Fernsehen.“

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