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Deutsche Gewichtheberinnen bei WMHeben für das Selbstbewusstsein

Nina Schroth und Lisa Marie Schweizer heben bei den WM in Bogotá Gewichte. Dabei geht es auch um die immer schwierigere Qualifikation für Olympia.

Fühlt sich stark an: Nina Schroth erfolgreich beim Reißen Foto: foto2press/imago

Seit Montag stoßen und reißen die besten Ge­wicht­he­be­r:in­nen der Welt in Bogotá um Titel und Medaillen. Auch ein deutsches Sextett hat die Reise zu den Weltmeisterschaften in die kolumbianische Hauptstadt auf sich genommen. Mit Nina Schroth, Simon Brandhuber und Lisa Marie Schweizer sind drei Ath­le­t:in­nen dabei, die schon im Frühjahr bei der EM in Tirana erfolgreich waren. Zusammen mit Max Lang, Nico Müller sowie Sabine Kusterer sollen sie auf 2.500 Meter Höhe für Top-Ten-Platzierungen sorgen.

Wie groß das Interesse an der WM ist, zeigt die hohe Teilnehmerzahl. Kein Wunder, sind die Titelkämpfe doch der erste Qualifikationswettkampf für Olympia 2024 in Paris. Dass die Ge­wicht­he­be­r:in­nen überhaupt bei den nächsten Spielen antreten dürfen, stand allerdings lange auf der Kippe. Zu schwerwiegend waren die Skandale um Korruption und Doping in den vergangenen Jahren, zu wenig ging der Weltverband der Gewichtheber in den Augen der olympischen Regelhüter dagegen vor.

Die Konsequenz: In Paris dürfen nur noch 120 Ath­le­t:in­nen auf die Hebebühne – drastisch weniger als noch 2016 in Rio de Janeiro (260) oder zuletzt in Tokio (196). Bei den Gewichtsklassen wurde ebenfalls der Rotstift angesetzt. Während in Bogotá die Wettkämpfe in zehn Gewichtsklassen ausgetragen werden, wird es 2024 nur jeweils fünf für Männer und Frauen geben; vier weniger als in Tokio. „Sich für Olympia zu qualifizieren, wird immer schwieriger“, stellt Nina Schroth fest.

Die mehrfache deutsche Meisterin weiß, wie es sich anfühlt, wegen Doping eines der größten Momente der Karriere beraubt zu werden. Bei der EM 2019 hatte Schroth in ihrer Klasse bis 81 kg zunächst Silber geholt. Die erstplatzierte Griechin wurde später jedoch des Dopings überführt. Dass sich Schroth nun Europameisterin nennen darf, hat die 31-Jährige dann erst im vergangenen Jahr erfahren. Und das auch nur per Zufall. „Bei der EM in Moskau wurde im Fernsehen als mein größter Erfolg ‚European Champion‘ eingeblendet. Weder ich noch der Verband wussten bis dahin davon“, erzählt Schroth der taz. Ihre Goldmedaille habe sie aber immer noch nicht erhalten.

Keine Illusion von fairem Sport

Sie frage sich natürlich schon, wie viele Medaillen sie auf diese Art verloren hat. Dennoch lassen die ganzen Skandale Schroth nicht verbittert auf ihre Sportart blicken; auch wenn sie davon überzeugt ist, dass nicht jeder bei der WM in Bogotá sauber heben werde. „Doping ist nicht fair. Aber wir werden schon früh in unserer Karriere damit konfrontiert. Wir leben damit und machen einfach unser Ding.“

Für Lisa Marie Schweizer sind all diese Nachrichten über Doping und Korruption regelrechte Tiefschläge. Ihren Sport liebe sie jedoch nach wie vor. „Man stemmt ja nicht nur Gewichte, der Sport hat auch eine große mentale Seite“, so Schweizer im Gespräch mit der taz. Sie sei durch das Gewichtheben selbstbewusster geworden. „Und körperlich sowie mental stärker, was sich auf das ganze Leben positiv auswirkt.“

Frauen und Muskeln – diese Kombination passe oft immer noch nicht zum Bild von Frauen in den Köpfen vieler. Außerdem existiere, so sagt es die 27-Jährige, ein falsches Bild von Gewichtheberinnen. „Wenn ich erzähle, dass ich Gewichtheberin bin, sind viele überrascht, weil man mir es nicht ansehen würde“, sagt Schweizer, die für Olympia 2024 in eine höhere Gewichtsklasse wechseln musste. Auch zu ihrer eigenen Überraschung hat sie da trotz Verletzungsproblemen direkt EM-Gold im Reißen (71 kg) geholt.

Sie will den Frauen die Angst vor Muskeln nehmen. „Ich bin nicht der Meinung, dass ich nach 13 Jahren Training männlich aussehe. Natürlich habe ich ein breiteres Kreuz, aber das heißt ja nicht, dass das nicht auch fraulich ist.“ Und auch Nina Schroth würde allen Personen das Gewichtheben empfehlen. „Das ist ein Training, welches für den ganzen Körper gut ist. Nur sollte man nicht direkt bei 100 kg anfangen“, schmunzelt die EM-Dritte.

Über 100 kg sollten es in Bogotá aber schon sein, wenn es mit den Top-Ten-Platzierungen klappen soll. Einen Medaillenregen wie bei der EM im vergangenen April kann der deutsche Verband jedoch nicht erwarten, dafür ist die Konkurrenz trotz der Abwesenheit von Ath­le­t:in­nen aus Russland und Belarus zu groß. Die Olympischen Spiele 2024 in Paris sowie die eine oder andere persönliche Bestleistung sind und bleiben das große Ziel für Schroth, Schweizer und Co.

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