: Deutsche Drückeberger?
■ Spitzenpolitiker fordern UN-Intervention in Bosnien
Hamburg/München (AP) – Der stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion im Bundestag, Heiner Geißler, und der SPD-Außenpolitiker Günther Verheugen haben sich für ein militärisches Eingreifen in Bosnien ausgesprochen. Dagegen riet Bundeswehr- Generalinspekteur Klaus Naumann davon ab und verwies auf den kaum nachvollziehbaren Frontverlauf und die zu erwartenden hohen Verluste unter Soldaten und Zivilisten.
Entwicklungshifeminister Carl- Dieter Spranger kritisierte laut Redemanuskript bei einem entwicklungspolitischen Kongreß der CSU am Samstag in München, die zurückhaltenden Reaktionen auf die Menschenrechtsverletzungen schadeten der Glaubwürdigkeit Deutschlands weltweit. „Allmählich bieten wir das jämmerliche Bild von feigen Pfeffersäcken, die sich aus der Staatengemeinschaft der zivilisierten Nationen zu verabschieden scheinen.“ Er plädierte für eine deutsche Beteiligung an friedenssichernden und -erhaltenden Maßnahmen von UNO, Nato und WEU.
Geißler forderte in Bild am Sonntag, die UNO müsse rasch eine militärische Intervention im ehemaligen Jugoslawien beschließen. Zumindest müßten die Versorgung und die Beseitigung der Blockaden in vielen Städten durchgesetzt werden. „Vergewaltigungs- und Internierungslager“ müßten aufgelöst und die Menschen befreit werden. Deutschland dürfe nicht länger die unrühmliche Rolle des Drückebergers spielen, sagte Geißler und forderte eine Grundgesetzänderung, so daß sich die Bundesrepublik genauso wie die anderen souveränen Staaten an friedenssichernden Maßnahmen beteiligen könne. Für die „Blockade innerhalb der Koalition“ machte Geißler Außenminister Klaus Kinkel verantwortlich.
Der SPD-Außenpolitiker Günter Verheugen forderte einen „militärischen Einsatz friedensschaffender Truppen“ unter UNO- Kommando, um das Morden in Bosnien zu stoppen. Politischer Druck allein könne das Morden nicht stoppen, erklärte er in Bild am Sonntag. „Wenn Militärexperten zu dem Ergebnis kommen, daß ein militärischer Einsatz sinnvoll ist, dann bin ich dafür.“ Ganz Bosnien-Herzegowina müsse unter UNO-Mandat gestellt werden.
Als „moralisch legitim“ bezeichnete der außenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Karsten Voigt, die von den EG-Außenministern angestrebte gewaltsame Durchsetzung des Flugverbots über Bosnien. Um eine deutsche Beteiligung zu ermöglichen, müsse aber erst das Grundgesetz geändert werden, sagte Voigt der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung.
Generalinspekteur Klaus Naumann riet von einem militärischen Eingreifen in Bosnien ab: Das unübersichtliche Gelände, der kaum nachvollziehbare Frontverlauf und die zu erwartenden hohen Verluste bei der Truppe und der Zivilbevölkerung sprächen dagegen, erklärte Naumann in einem Beitrag für die Berliner Morgenpost. Um künftige Konflikte zu verhindern, sollte Militär vorbeugend zur Friedenserhaltung einsetzt werden. Der Generalinspekteur nannte es beschämend, daß deutsche Soldaten theoretische Betrachtungen anstellen, aber keinen Beitrag leisten könnten.
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