Deutsche Datenschützer zu Facebookleck: Nur die Spitze des Eisbergs
Merkel kritisiert Facebook – Datenschützer fordern die Politik zum Handeln auf: Die Firmen bräuchten schärfere Regeln zur Informationspflicht.
Vor wenigen Tagen war bekannt geworden, dass die britische Analysefirma Cambridge Analytica Zugriff auf Facebook-Daten von rund 50 Millionen Menschen gehabt haben soll. Vermutet wird, dass mit diesen Informationen die US-Wahlen beeinflusst wurden. Cambridge Analytica bestritt den Angaben nach einen Großteil des Wahlkampfs für den heutigen US-Präsidenten Donald Trump.
Der Datenzugriff funktioniert über Apps, die die Facebook-Nutzer installiert haben. Entwickler und Anbieter können nicht nur auf die Daten der Nutzer zugreifen, die die Anwendungen heruntergeladen haben, sondern auch auf Profile der Facebook-Freunde dieser Nutzer. Wer nicht damit einverstanden ist, muss diesen Zugriff durch Änderung der Datenschutzeinstellungen explizit verbieten.
Peter Schaar, bis 2013 Datenschutzbeauftragter, sieht hier ein enormes rechtliches Problem: „Die Betroffenen erfahren vielfach überhaupt nicht, dass ihre Daten abgegriffen werden, denn sie werden über die konkrete Datenverarbeitung, ihre Zwecke und die dafür Verantwortlichen nicht ausreichend informiert.“
„Komplizen des Datenmissbrauchs“
Für ihn ist die Zusammenarbeit zwischen Facebook und Cambridge Analytica nur die „Spitze des Eisbergs“. Dass Mark Zuckerberg sich nun entsetzt gibt, hält er für wenig glaubwürdig. „Der Fall ist Facebook seit mehr als einem Jahr bekannt und man hat weder die Betroffenen noch die Datenschutzbehörden über den Datenmissbrauch informiert.“ Schaar vermutet hinter der Betroffenheit eher den Absturz, den der Fall an der Börse ausgelöst hat. Das Unternehmen verlor einen Wert von rund 35 Milliarden US-Dollar.
Scharfe Kritik übt auch Johannes Caspar. Der Hamburger Datenschutzbeauftragte, der für den IT-Konzern in Deutschland zuständig ist, will Facebook dazu zwingen, die Standardeinstellungen zu ändern. „Die Entblößung, die für den Großteil der Nutzer völlig unsichtbar über ihre eigenen Freunde entsteht, ist alarmierend“, sagt er. „Es macht Freunde, denen erhöhtes Vertrauen entgegengebracht wird, zu potenziellen Komplizen des Datenmissbrauchs.“
Nun müssen die Gerichte darüber entscheiden, wie der Rechtsbruch Zuckerbergs geahndet wird. Peter Schaar sieht aber auch die Politik in der Pflicht: „Regeln für das Tracking und die Informationspflichten der Unternehmen müssen verschärft werden.“ Bisher hätte die Bundesregierung solche Ansätze eher ausgebremst als vorangetrieben.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Tabubruch der CDU
Einst eine Partei mit Werten
Social-Media-Star im Bundestagswahlkampf
Wie ein Phoenix aus der roten Asche
Mitarbeiter des Monats
Wenn’s gut werden muss
Gerhart Baum ist tot
Die FDP verliert ihr sozialliberales Gewissen
Krieg und Rüstung
Klingelnde Kassen
Jugendliche in Deutschland
Rechtssein zum Dazugehören