Deutsche Behörden prüfen Dioxinbelastung: Irisches Fleisch muss aus Regalen
Die Bundesregierung hat deutsche Supermärkte aufgerufen, irisches Schweinefleisch aus dem Verkehr zu nehmen. Ein FDP-Politiker fordert, heimische Produkte zu kaufen.
BERLIN taz Der Appetit auf Schnitzel müsse in Deutschland niemandem vergehen, meint das Bundesverbraucherministerium. Sprecherin Ulrike Hinrichs sagte am Montag: "Es besteht derzeit keine Gefährdung" - auch wenn in Irland Schweine mit dem Seveso-Gift Dioxin verseucht wurden. Das Verbraucherschutzministerium habe aber deutsche Lebensmittelhändler aufgefordert, Fleisch aus Irland vorsorglich vom Markt zu nehmen.
Nach derzeitigen Erkenntnissen sind seit 1. September dieses Jahres 2.000 Tonnen irisches Schweinefleisch an fünf Betriebe in der Bundesrepublik geliefert worden. 4,5 Millionen Tonnen Schweinefleisch verbrauchen die Deutschen im Jahr. Darüber hinaus hat Irland Schweinefleisch in bis zu 25 weitere Länder exportiert, gab die Regierung in Dublin bekannt. Den deutschen Behörden wurde der Vorfall über das europäische Schnellwarnsystem für Lebensmittel gemeldet.
Lebensmitteltester in Irland fanden bei Routinekontrollen Dioxinwerte im Schweinefleisch, die den zulässigen Höchstwert um das 80- bis 200-fache überschritten. Die irische Regierung rief am Wochenende Produkte zurück, die irisches Schweinefleisch enthalten, das nach dem 1. September verarbeitet worden ist. Verbraucher, die seitdem entsprechende Produkte gekauft haben, sollen sie wegwerfen oder in die Geschäfte zurückbringen.
Wer verseuchtes Schweinefleisch bereits gegessen habe, müsse sich jedoch keine Sorgen machen, beruhigte das Ministerium: Dioxin sei zwar krebserregend, aber nur, wenn man ihm über einen längeren Zeitraum ausgesetzt sei. Untersuchungen in Belgien, wo es vor zehn Jahren einen ähnlichen Fall gab, hätten ergeben, dass die Verbraucher keinen Schaden genommen haben, sagte Tony Holohan vom Gesundheitsministerium in Dublin. Es geht den Politikern darum, den Schaden für die Industrie zu begrenzen. Die setzt fast eine halbe Milliarde Euro jährlich um. Doch die Beruhigungsversuche waren vergeblich.
Am Sonntag gingen rund 2.000 Anrufe besorgter Verbraucher bei der Behörde für Lebensmittelsicherheit ein, in den Supermärkten standen die Menschen Schlange, um ihr Schweinefleisch zurückzugeben. Das Misstrauen ist seit dem Skandal um den Rinderwahnsinn BSE groß. Auch damals stellten Scharen von Experten Unbedenklichkeitsbescheinigungen aus. Diese Experten standen jedoch in den Diensten der Regierung oder der Industrie. Die Warnungen unabhängiger Wissenschaftler wurden jahrelang als Panikmache abgetan. Das jetzt entdeckte Dioxin steckte in Futtermitteln der Firma Millstream Power Recycling in der Grafschaft Carlow südwestlich von Dublin. Offenbar stammt der Stoff aus einem minderwertigen Maschinenöl. Robert Hogg, der Eigentümer von Millstream, sagte, man habe das Öl lediglich in einem Gerät verwendet, in der das Futter getrocknet wird. Es sei nie direkt mit dem Futter in Berührung gekommen. Er habe sich jedoch vorsichtshalber einen Anwalt genommen.
Das verseuchte Futtermittel ist an zehn Schweinezuchthöfe und 37 weitere Höfe, auf denen auch Rinder gehalten werden, geliefert worden. Darunter sind zehn Bauernhöfe in Nordirland. 100.000 Schweine sollen in den nächsten Tagen getötet werden. Ob Rinder ebenfalls erhöhte Dioxinwerte aufweisen, wird zurzeit untersucht. Die EU-Kommission hat für den heutigen Dienstag ein Treffen von Experten aus denjenigen Ländern anberaumt, die irisches Schweinefleisch importiert haben. Ihr Vorgehen soll koordiniert werden.
Der verbraucherpolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Hans-Michael Goldmann, riet am Montag zum Kauf von deutscher Ware. "Die heimischen Verbraucher sollten auf ,Nummer sicher' gehen und Schweinefleisch aus Deutschland nachfragen." Henrik Düker von der Verbraucherorganisation Foodwatch aber erklärte: Dioxinbelastetes Futter tauche auch immer wieder in Deutschland auf, zuletzt 2004 auf Höfen in Sachsen und Hessen.
Angela Clausen von der Verbraucherzentrale in Nordrhein-Westfalen forderte: "Die Behörden müssen die betroffenen Produkte nennen und vom Markt nehmen." Die Lieferlisten zeigten, welches Produkt wann wohin transportiert wurde.
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