Deutsche Bahn: Tarifkonflikt festgefahren
DIe Lokführer beharren auf ihren Forderungen. Derweil einigt sich die Bahn mit den anderen Gewerkschaften auf eine erhöhte Mitarbeiterbeteiligung.
FRANKFURT/BERLIN dpa/taz Nach dem dritten Streiktag stehen sich Bahn und Lokführergewerkschaft GDL weiter unversöhnlich gegenüber. Eine Annäherung der Kontrahenten im festgefahrenen Tarifkonflikt ist nicht erkennbar: Die Bahn wiederholte am Freitag ihr Angebot, auf Grundlage ihrer jüngsten Offerte Tarifgespräche mit der Gewerkschaft aufzunehmen. Die GDL hingegen beharrt weiter auf einem eigenständigen Abschluss und will am Sonntag entscheiden, ob sie für Montag erneut zu Streiks aufruft. Am Donnerstag hatte die GDL zum dritten Mal in zwei Wochen den Nahverkehr bestreikt. Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee (SPD) appellierte an beide Seiten, eine Lösung zu finden.
Bahnpersonalvorstand Margret Suckale forderte die Gewerkschaft auf, im Interesse von Millionen von Pendlern auf weitere Streiks zu verzichten. "Während wir mit den anderen Gewerkschaften verhandeln, plant die GDL schon den nächsten Streik. Das ist unverantwortlich", sagte sie. Bei den Verhandlungen über die neue Einkommensstruktur einigten sich die Bahn-Spitze und die Gewerkschaften Transnet und GDBA am Freitag in Berlin darauf, die Beschäftigten künftig stärker am Unternehmenserfolg zu beteiligen. Bereits im kommenden Jahr wolle die Bahn ihren Beschäftigten eine "deutlich höhere" Mitarbeiterbeteiligung zukommen lassen, sagte der Transnet- Vorsitzende Norbert Hansen nach dem Gespräch. Suckale bestätigte, die Mitarbeiterbeteiligung solle leistungsgerecht erhöht werden. Dies setze voraus, dass die Bahn die entsprechenden Kennzahlen erreiche.
Nach Worten Hansens erklärte sich die Bahn-Spitze bei dem Gespräch zudem bereit, in den kommenden Jahren zusätzlich einen dreistelligen Millionenbetrag für Personalausgaben bereitzustellen. Eine genaue Summe stehe aber noch nicht fest. Es sollten nun in weiteren Verhandlungen Zielentgelte festgelegt und ein Stufenplan vereinbart werden. Die Verhandlungen finden unabhängig vom Tarifstreit zwischen Bahn und Lokführergewerkschaft GDL statt und sollen nach Worten Suckales auch weiterhin parallel laufen.
Für die GDL bleibe die Bahn bei ihrem jüngsten Angebot, dass sich an dem im Sommer erzielten Abschluss mit Transnet und GDBA anlehnt. Demnach würden 4,5 Prozent mehr Geld zum 1. Januar 2008 sowie eine Einmalzahlung von 600 Euro geboten. Überdies sollen nach dem Vorschlag rund 100 Überstunden des laufenden Jahres ausbezahlt werden - was 1400 Euro brutto ergibt. Die Bahn sagte außerdem zu, die Dienstpläne mitarbeiterfreundlicher zu gestalten als bisher.
Die GDL lehnt diesen Vorschlag als "unverhandelbar" ab. Eine GDL- Sprecherin betonte, die Bahn habe es in der Hand, ob in der kommenden Woche wieder gestreikt werde. Sobald sie der GDL ein Angebot für einen eigenständigen Tarifvertrag mit Verbesserungen bei Entgelt und Arbeitszeit vorlege, werde verhandelt. Einen Verzicht auf diese Forderung werde es nicht geben. "Für uns ist klar: Wir gehen diesen Weg weiter. Wir werden am Ende des Prozesses einen eigenständigen Tarifvertrag abschließen", sagte GDL-Vizechef Claus Weselsky.
Große Hoffnungen setzt die GDL zudem auf ihre Berufung beim Landesarbeitsgericht in Chemnitz gegen das Streikverbot im Güter- und Fernverkehr. Das Arbeitsgericht hatte der Gewerkschaft lediglich Streiks im Nahverkehr erlaubt. Die GDL will nach Angaben einer Sprecherin aber nicht immer die Pendler treffen, die auf Regionalzüge und S-Bahnen für ihre Fahrt zur Arbeit angewiesen sind. Zudem könnte ein Streik im Güterverkehr wegen der Auswirkungen auf die Industrie größeren Druck entfalten. Einen Verhandlungstermin gibt es noch nicht. Die GDL hofft auf einen Termin in der kommenden Woche.
Die Bundesregierung fordert im festgefahrenen Tarifstreit zwischen Bahn und Lokführergewerkschaft GDL eine stärkere Beachtung bereits vorliegender Kompromissvorschläge. Das Papier der Vermittler und CDU- Politiker Kurt Biedenkopf und Heiner Geißler aus dem August "muss Grundlage der nächsten Verhandlungen sein", erklärte Verkehrsminister Wolfgang Tiefensee. Das jüngste Angebot der Bahn sei eine solide Basis für weitere Gespräche und Verhandlungen.
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