■ Deutsch-polnische Verhandlungen zum „Asylkompromiß“: Im Dunstkreis deutscher Ängste
Vorhang auf! Den Zuschauer erwartet ein weiterer quälender Akt im Theater der Peinlichkeiten, zu dem die deutsch-polnischen Beziehungen mittlerweile verkommen sind. Jerzy Zimowski, stellvertretender Innenminister Polens, ist Gast bei Rudolf Seiters, um über die Konsequenzen zu sprechen, die die geplante „Neuregelung“ des Asylrechts in der BRD für Polen haben dürfte, könnte, sollte oder was auch immer. Denn das hauptsächliche Charakteristikum der deutschen Vorgehensweise gegenüber der polnischen und tschechischen Republik ist bisher, daß zwar mit Geldscheinen gewedelt, aber mitnichten offengelegt wird, was eigentlich Verhandlungsgegenstand ist.
Um die Abschiebung etwa der rumänischen Roma nach Polen (oder in die tschechische Republik) als „Transitland“ kann es kaum gehen. Die Einrichtung der perversen Abschiebungskette BRD-tschechische- und slowakische Republik-Ungarn-Rumänien oder BRD-Ukraine-Rumänien setzt multilaterale Rücknahmeverträge voraus, die auch multinational auszuhandeln wären. Nicht die armen Roma hat unsere Regierung im Fadenkreuz, es geht um weit größer dimensionierte Zumutungen.
Die polnische Seite soll dazu gebracht werden, die kommende „Flut“ aus dem Osten einzudämmen, möglichst an der Bug-Grenze, spätestens aber an der Oder. Polen, das im Namen der Menschenrechte wie eines zukünftigen, vereinten Europa erfolgreich für die Visumfreiheit seiner Bürger Richtung Westen gekämpft hat, soll das gleiche jetzt seinen russischen und ukrainischen Nachbarn verwehren. Und wenn kein Visumzwang, dann wenigstens das Erfordernis von Einladungen samt garantierter Kostenübernahme, Hinterlegung von Kautionen, Haftpflicht etc. Schon indem man Projekte dieser Art ventiliert, belastet man die politischen und ökonomischen Beziehungen Polens zu seinen östlichen Nachbarn dort, wo Schäden am schwersten zu reparieren sind: im täglichen Umgang der Völker miteinander.
Bislang hat Polen den deutschen Pressionen standgehalten. Wie sehr aber der deutsche Vorstoß bereits zu „klimatischen“ Veränderungen geführt hat, beweisen die Razzien tschechischer Behörden auf „Illegale“ in Nordböhmen. Aber der deutsche Vorstoß hat noch eine weit gravierendere Konsequenz: Er stürzt Polen in ein auswegsloses moralisches Dilemma. Denn das Selbstverständnis der polnischen Demokraten basierte stets auf der Grundannahme, daß Freiheit, und damit auch Freizügigkeit, unteilbar ist.
Was wollen die Deutschen finanzieren? Grenzanlagen und Wachtürme im Osten, einen polnischen Polizei- und Truppentransfer zum Bug? Man zieht die Regierung Polens in den Dunstkreis der deutschen Ängste. Bislang ist überhaupt nicht erwiesen, daß die in so apokalyptischen Bildern ausgemalte Migrationswelle tatsächlich über uns hereinbrechen wird. Die polnischen Emissäre werden das Gefühl nicht los, als Figuren in einem Spiel der deutschen Innenpolitik (und in einem nicht sehr sauberen dazu) mißbraucht zu werden. Kein Wunder, daß sie kühl reagieren. Christian Semler
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