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Deutsch-deutsche Kritik am SED-Monopol

■ Immer noch hält die SED die Fäden in der Hand / Gönnerhafte Gesten statt einklagbarer Rechtsansprüche

Die Genossen nützen nach wie vor ihre etablierten Apparate, um den Vorsprung beim Machterhalt und bei den Wahlvorbereitungen zu bewahren. Dies stößt bei Politikern hierzulande auf teilweise heftige Kritik. Sie erwarten von der SED mehr als nur die Zusage an die Opposition, die alten Apparate würden sich auch für sie öffnen.

Vier Monate vor der Parlamentswahl in der DDR am 6. Mai scheint eines klar: Dies wird nicht nur eine Abstimmung über die Zusammensetzung der ersten frei gewählten Volkskammer, sondern vor allem eine Abstimmung für oder gegen die SED. So unterschiedliche Standpunkte die immer vielfältiger werdenden Oppositionsgruppen und die alten Blockparteien in vielen Fragen auch einnehmen - in einem sind sie sich einig: in der Abgrenzung zur SED.

In der immer heftiger werdenden Kritik an der SED-PDS schwingt auch ein ganzes Stück Überraschung darüber mit, daß die für die desolate Lage der DDR verantwortliche Partei nicht moralisch und organisatorisch zerstört am Boden liegt. Das Gegenteil ist der Fall: Während die Kommunisten im Nachbarland Polen am Wochenende resigniert die Auflösung ihrer Partei beschlossen, versucht die umtriebige neue Führung der SED-PDS entschlossen die Reihen der Partei mit dem gelifteten Namen und Programm neu zu formieren.

Ihre Ausgangsbasis ist gut: Vom allseits geachteten Regierungschef Hans Modrow bis hinein in die Amtsstuben der Provinz und nicht zuletzt in den Medien halten die Genossen noch immer wichtige Fäden in der Hand und wissen sie in ihrem Interesse zu nutzen. Und wenn es gelingt, den seit Monaten schwindenden Mitgliederstand bei gegenwärtig gut 1,4 Millionen zu stabilisieren, bleibt die SED-PDS die bei weitem größte Partei mit einem entsprechenden Wählerstamm. Wer allerdings in die SED hineinhört, bekommt auch viel Ratlosigkeit angesichts der ungewohnten Lage bis hin zur Verzweiflung plötzlich arbeitsloser und in der Öffentlichkeit geächteter Funktionäre mit. Der einst übermächtige Apparat existiert nicht mehr, 900.000 ausgetretene Mitglieder haben große Lücken gerissen und einen richtigen Wahlkampf haben die übrigen Genossen auch noch nie geführt.

Das in der DDR gemalte und von vielen Bonner Politikern schnell übernommene Schwarzweißbild von der bösen, mächtigen SED und den guten, aber armen anderen Parteien stimmt so einfach ohnehin nicht. Es ist auch schon ein Stück Wahlkampf. Zum Beispiel haben unterschiedslos alle Gruppen Zugang zum zentralen Informationsmedium der DDR: dem 'Allgemeinen Deutschen Nachrichtendienst‘ ('adn‘), der auch Erklärungen manch dubioser Grüppchen unkommentiert verbreitet. Und es verfügt auch nicht nur die SED über Gebäude, Zeitungen und Druckereien, sondern auch die alten „Blockparteien“ von der CDU bis zu den Nationaldemokraten. Daß die CDU ganz unverhohlen auf Wahlhilfe der Schwesterpartei aus Bonn rechnet, gehört mit in dieses Bild.

Und auch von den Sozialdemokraten ist zu hören, daß ihre Funktionäre täglich im Westberliner SPD-Haus ein- und ausgehen, wo die Bonner Parteizentrale ihre Dependance demonstrativ und gezielt verstärkt hat. So verfügt die SDP mittlerweile über ein mit Computern und anderer Technik wohlausgestattes Büro in Ost-Berlin. Diese auch von manchen DDR-Bürgern mißtrauisch beobachtete Abhängigkeit vom Westen macht sich der gewiefte SED-Chef Gregor Gysi seinerseits zunutze: Solch anrüchige Hilfe werde seine Partei nicht erhalten und auch nicht beanspruchen.

dpa

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