piwik no script img

Designierter SPD-ChefGabriel will Parteibasis umwerben

Der designierte SPD-Chef Gabriel gibt sich demütig. Bei einer Bewerbungstournee will er die Basis vom neuen Führungsteam überzeugen.

In seiner alten Rolle: Sigmar Gabriel als Umweltminister im Atommüllager Asse. Bild: dpa

Nichts ist normal in der SPD. Am Montagabend soll eigentlich nach stundenlanger Beratung im Präsidium und Parteivorstand den Medien verkündet werden, dass Sigmar Gabriel der designierte neue SPD-Chef ist.

Doch dann passiert im Berliner Willy-Brandt-Haus erst mal nichts. Mehr als eine Stunde verspätet treten Franz Müntefering und Sigmar Gabriel vor die Mikrofone. Es hat länger gedauert, weil einige im Parteivorstand wütend gegen die neue Machtarchitektur der Partei zu Felde gezogen sind. Und gegen die Art, wie die neue Spitze gebildet wurde. Vor allem der SPD-Linke Hermann Scheer schimpft, dass sich die neue Elite "fast putschistisch selbst nominiert" hat.

Richtig ist, dass Frank-Walter Steinmeier sich noch am Abend der Wahlniederlage zum Fraktionschef kürte und danach Sigmar Gabriel, Klaus Wowereit, Andrea Nahles und Olaf Scholz die Parteiposten nach Strömungsproporz verteilten. So ähnlich wie Scheer sehen es auch die hessischen Parteilinken Andrea Ypsilanti und Gernot Grumbach.

Doch die Front im Vorstand verläuft nicht entlang der klassischen Rechts-links-Markierung. Das zeigt die Abstimmung im 36-köpfigen Parteivorstand. Das schlechteste Ergebnis bekommen die Parteilinken Andrea Nahles und Klaus Wowereit. Bei Wowereit ist es ein Denkzettel für dessen Rolle nach dem Wahldesaster. Er forderte als Erster einen Wechsel. Der Berliner Landesverband wollte die gesamte SPD-Spitze absetzen - doch Wowereits Bemühungen, selbst Parteichef zu werden, blieben zaghaft.

Sigmar Gabriel hat 28 von 36 Stimmen bekommen. Das ist ein "ehrliches Ergebnis", sagt er. Scheers Putschvorwurf findet Gabriel absurd. Der Parteivorstand unterbreite satzungsgemäß korrekt dem Parteitag einen Personalvorschlag. Dass die Namen vorher bekannt geworden seien, sei Schuld der Medien, in dieser Hinsicht habe er eine reines Gewissen. "Ich habe in der letzten Woche kein Interview gegeben."

Gabriel bemüht sich, den Eindruck alles Vorschnellen zu vermeiden. "Ich bin nicht der SPD- Vorsitzende, ich bin der Kandidat, der einen Vertrauensvorschuss bekommen hat", sagt er. Bis zum Parteitag im November wird er mit der designierten Generalsekretärin Andrea Nahles Bezirke und Landesverbände besuchen. "Wir gehen auf Bewerbungstour", so Gabriel. Die SPD, sagt Gabriel, brauche nach dem Wahldesaster Demut. Gabriel will für die SPD "mehr Beteiligung der Mitglieder" und mehr direkte Demokratie. Die elf Regierungsjahre sollen mit der Basis breit debattiert werden. Dabei soll die Schlüsselfrage der SPD in der Opposition bearbeitet werden: Trennt sie sich von der Agenda 2010, von Hartz IV und der Rente mit 67?

Gabriels Antwort lautet: Nein, aber. Nichts "soll über Bord geworfen", dafür manches "weiterentwickelt" werden. Diese Debatte soll laut Gabriel Anfang nächsten Jahres beendet sein. Mit einem Konsens.

Wie der aussehen soll, zeigt Gabriels Deutung der Rente mit 67. "Meine Mutter", sagt Gabriel, "war Krankenschwester. Ich kenne keine Krankenschwester, die mit 67 noch Patienten hebt." Doch er will nicht, dass die SPD die Rente mit 67 kippt, sondern trickreich "weiterentwickelt". Die Zauberformel lautet: "geförderte Altersteilzeit". Diese ermöglicht das Kunststück, die Rente mit 67 faktisch abzuschaffen, ohne dafür eine Distanzierung von der Regierungs-SPD zu benötigen.

Mit der Linkspartei ist, so Gabriel, 2013 auch eine Koalition denkbar. Diese Formel ist wohl Konsens in der SPD. Außerdem wolle die SPD "angstfrei" mit der Linkspartei umgehen. Und das wäre wirklich etwas Neues.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

8 Kommentare

 / 
  • AL
    Anna Luehse

    "Bewerbungstournee", für's Klima und so,

    das muß er sich aber schon ein paar CO2-Dollar kosten lassen, von nix kommt nix.

    Für den mutigen Kampf gegen die Erderhitzung darf "uns" nichts zu teuer sein.

     

    - „Focus Online“ berichtete, der Geschäftsführer der Berliner Firma fts media GmbH, Thomas Schröder, habe bestätigt, insgesamt 35.000 Euro vom Land Niedersachsen erhalten zu haben. Unter anderem habe er Gabriel in Talkshows wie „Berlin-Mitte“ (ZDF) und „Sabine Christiansen“ (ARD) vermittelt. ... "

     

    Wahrheitsstress für Alleinflieger Popp-Siggi: Zwei Eide in einer Woche schwören. Das mußte schiefgehen.

     

    "In der gleichen Woche der Vereidigung zum Bundesumweltminister wurde gegen ihn eine Strafanzeige wegen Meineids gestellt, worin ihm vorgeworfen wurde, im November 2003 einen dubiosen Auftrag über 100.000 Euro vom damaligen VW Personal-Chef Peter Hartz als Gefälligkeit für die Vertragsverlängerung von Peter Hartz als Personalvorstand von VW erhalten zu haben und darüber an Eides statt die Unwahrheit versichert zu haben."

     

    Nal was Nettes: Popp-Siggi möchte nicht zu minderjährigen Zwangsprostituierten.

    (Vgl. Rotlicht-Peter-Hartz-IV)

    Falls doch, darf es keiner sagen.

     

    "Am 26.08.2006 hat Sigmar Gabriel den Betreiber von Mein Parteibuch durch eine Anwältin der Kanzlei Buse Heberer Fromm aufgefordert, sich bei einer Strafe von 20.000 Euro für jeden einzelnen Fall der Zuwiderhandlung dazu zu verpflichten, es zu unterlassen, Fotos von Sigmar Gabriel zu verbreiten, die mit der Bildunterschrift "Ich will auch zu den Nutten, Herr Hartz" versehen sind."

     

    http://www.mein-parteibuch.com/wiki/Sigmar_Gabriel

     

    "Herr Hartz"?? Unglaubwürdig. Popp-Siggi und Rotlicht-Peter duzen sich.

     

    Der führt die SPD in die Zukunft. Ganz sicher. Isch schwör', ey!

     

    taz: "Doch die Front im Vorstand verläuft nicht entlang der klassischen Rechts-links-Markierung."

     

    Glückwunsch zur Erkenntnis.

    Wir hier oben, Ihr da unten oder so, schomma von gehört?

  • E
    Edelweiß

    Nein, aber?

     

    Herr Gabriel so geht das nicht. Klare Aussagen und deutliche Signale sind jetzt erforderlich. Sonst könnten die Menschen glauben die Agenda 2010, Hartz IV und Rente mit 67 sollen weiterentwickelt werden!

     

    Ohne eine gründliche und schonungslose Aufarbeitung wird die SPD keine Glaubwürdigkeit zurück erlangen. Dazu wurde zuviel Vertauen verspielt und Kredit gibt es nicht.

  • S
    Simon

    Ich hoffe Gabriel hat Erfolg die SPD wieder nach oben zubringen. Eine schwache SPD ist schlecht für Deutschland.

  • J
    Jens

    Ein Amtsversager wie Gabriel ist doch ideal als Parteivorstand einer Partei, die......

     

     

    ...einen "besseren" hätte die arme SPD nicht finden können...

     

     

    LOL

  • AL
    Anna Luehse

    "Bewerbungstournee", für's Klima und so,

    das muß er sich aber schon ein paar CO2-Dollar kosten lassen, von nix kommt nix.

    Für den mutigen Kampf gegen die Erderhitzung darf "uns" nichts zu teuer sein.

     

    - „Focus Online“ berichtete, der Geschäftsführer der Berliner Firma fts media GmbH, Thomas Schröder, habe bestätigt, insgesamt 35.000 Euro vom Land Niedersachsen erhalten zu haben. Unter anderem habe er Gabriel in Talkshows wie „Berlin-Mitte“ (ZDF) und „Sabine Christiansen“ (ARD) vermittelt. ... "

     

    Wahrheitsstress für Alleinflieger Popp-Siggi: Zwei Eide in einer Woche schwören. Das mußte schiefgehen.

     

    "In der gleichen Woche der Vereidigung zum Bundesumweltminister wurde gegen ihn eine Strafanzeige wegen Meineids gestellt, worin ihm vorgeworfen wurde, im November 2003 einen dubiosen Auftrag über 100.000 Euro vom damaligen VW Personal-Chef Peter Hartz als Gefälligkeit für die Vertragsverlängerung von Peter Hartz als Personalvorstand von VW erhalten zu haben und darüber an Eides statt die Unwahrheit versichert zu haben."

     

    Nal was Nettes: Popp-Siggi möchte nicht zu minderjährigen Zwangsprostituierten.

    (Vgl. Rotlicht-Peter-Hartz-IV)

    Falls doch, darf es keiner sagen.

     

    "Am 26.08.2006 hat Sigmar Gabriel den Betreiber von Mein Parteibuch durch eine Anwältin der Kanzlei Buse Heberer Fromm aufgefordert, sich bei einer Strafe von 20.000 Euro für jeden einzelnen Fall der Zuwiderhandlung dazu zu verpflichten, es zu unterlassen, Fotos von Sigmar Gabriel zu verbreiten, die mit der Bildunterschrift "Ich will auch zu den Nutten, Herr Hartz" versehen sind."

     

    http://www.mein-parteibuch.com/wiki/Sigmar_Gabriel

     

    "Herr Hartz"?? Unglaubwürdig. Popp-Siggi und Rotlicht-Peter duzen sich.

     

    Der führt die SPD in die Zukunft. Ganz sicher. Isch schwör', ey!

     

    taz: "Doch die Front im Vorstand verläuft nicht entlang der klassischen Rechts-links-Markierung."

     

    Glückwunsch zur Erkenntnis.

    Wir hier oben, Ihr da unten oder so, schomma von gehört?

  • E
    Edelweiß

    Nein, aber?

     

    Herr Gabriel so geht das nicht. Klare Aussagen und deutliche Signale sind jetzt erforderlich. Sonst könnten die Menschen glauben die Agenda 2010, Hartz IV und Rente mit 67 sollen weiterentwickelt werden!

     

    Ohne eine gründliche und schonungslose Aufarbeitung wird die SPD keine Glaubwürdigkeit zurück erlangen. Dazu wurde zuviel Vertauen verspielt und Kredit gibt es nicht.

  • S
    Simon

    Ich hoffe Gabriel hat Erfolg die SPD wieder nach oben zubringen. Eine schwache SPD ist schlecht für Deutschland.

  • J
    Jens

    Ein Amtsversager wie Gabriel ist doch ideal als Parteivorstand einer Partei, die......

     

     

    ...einen "besseren" hätte die arme SPD nicht finden können...

     

     

    LOL