Designer-Vagina als Trend: Falsche Scham
"Vaginalverjüngung", "Rückjungferungen" bis zur Verstärkung des "G-Punkts": Nach Brust, Beine, Po wird die Frau jetzt auch im Intimbereich durchdesignt. Das Ganze gibt es bereits als Package.
Das Geschlecht soll schöner werden. Schon seit dem vergangen Jahr wagen vor allem in Amerika und Großbritannien immer mehr Frauen den Schnitt im Schritt und auch in Deutschland gibt es jährlich mehrere hundert Eingriffe. Offenbar haben plastische Chirurgen ein neues Feld entdeckt, auf dem sie - nachdem Brust-Operationen ja inzwischen schon alltäglich geworden sind - Frauen in ihrem Selbstbewußtsein verunsichern wollen.
Dabei gibt es Geld zu verdienen: Die Verkleinerung der Schamlippen kostet um die 2500 Euro, eine "Vaginalverjüngung", das Verengen der Vagina, um die 3800 Euro. Dabei spielt es laut dem OP-Anbieter Sensualmedics eine Rolle, ob die "Scheidenverjüngung" oder die G-Punkt-Operation durch Eigenfett oder körperfremde Hyaluronsäure vollzogen wird - im dem Fall muss man nämlich möglicherweise den Eingriff bald wiederholen.
Eine Wiederherstellung des Jungfernhäutchens gibt es für 2.200 Euro und die "Intensivierung des G-Punkts" ebenfalls. Über diese G-Punkt-Operation berichtete bereits das RTL-Magazin "Punkt 12". Der plastische Chirurg Stefan Gress erzählte dort von erfolgreichen G-Punkt-Injektionen, durch die Frauen zu einem Orgasmus verholfen werden soll. Er habe eine 70 prozentige Erfolgsquote und operiere als einziger Arzt in Deutschland jährlich an die 50 Frauen. Auch nach Mutterschaften wird auf der Website des Chirurgie-Insituts Frauen angeraten, sich für ein Package zu entscheiden, dazu gehört eine kleine Unterbauchstraffung, die Modellierung des Venushügels und eine Scheidenverengung durch Gewebestraffung - für 8.400 Euro, damit der "durch Geburten (oder auch Alter) veränderte Körper nicht mehr als fremd und weniger attraktiv empfunden" wird. Hinzu kommen die durch die gedehnte Scheide "sexuelle Funktionsstörung" bei Frau und Mann, die die Frauen "als große psychische Belastung" empfinden.
So langsam werden aber immer mehr Stimmen von Urologen und Gynäkologen laut, die diese vermeintlichen Verschönerung als riskant bezeichnen. "Das sind größtenteils schwachsinnige Eingriffe", sagt auch Thomas Muehlberger, Arzt für Plastische Chirurgie an den DRK Kliniken in Berlin der taz. Machbar sei natürlich fast alles und besonders bei einer derart großen Verdienstspanne sei der Antrieb unendlich. In seltenen Fällen könne eine Schamlippenverkleinerung aber auch medizinisch indiziert sein. So hätte er einmal eine Busfahrerin operiert, der ihre zu großen Schamlippen bei der Arbeit schmerzen bereiteten. Aber leider seien es häufig eher Frauen, die schon 23 Schönheitsoperationen hinter sich haben und nun ihre Schamlippen zu groß fänden - was an dem "derzeit sehr engem Idealbild der Frau" läge. "Da wird die Schönheitschirurgie zum verlängerten Arm des Fitnesswahns", so Muehlberger, der es als seine Aufgabe als Arzt sieht, Patienten vor Blödsinn zu bewahren. Die Chirurgen, die Designer-Vaginas propagieren, argumentieren hingegen, ihre Eingriffe würden den Frauen ihr Selbstbewußtsein zurückgeben.
Im British Medical Journal weisen Ärzte darauf hin, dass es keine Norm für die Größe oder Form einer Vagina gäbe und dass Frauen, die sich eine Operation wünschen, sich lieber psychologisch betreuen lassen sollten. Die Praktiken, bei denen Muskelgewebe zusammen genäht wird, seien nirgendwo ausreichend beschrieben oder dokumentiert und die möglichen Folgen und Risiken wie Blutungen, Narben und Infektionen unbekannt. Auch das vermeintlich bessere Sexualleben sei nicht wissenschaftlich erwiesen.
Die Operationen werden nicht an Universitätskliniken gelehrt und werden nicht von Frauenärzten sondern hauptsächlich von plastischen Chirurgen unternommen. Allein die äußere Straffung der Vagina sei bereits als gängige Operation verzeichnet, so die Chicago Tribune - und mannigfach mit vorher/nachher-Bildern im Netz beworben. Ziel dieser beworbenen Operationen ist es, die weiblichen Genitalien so aussehen zu lassen, wie bei einer 15- oder 16-Jährigen.
Inzwischen ergibt eine Google-Suche im englischsprachigen Bereich über 269.000 Treffer für kosmetische Vaginaloperationen, wie viele durchgeführt werden, ist nicht bekannt. Allein in den fünf Jahren zwischen 2000 und 2005 hat sich, wie die BBC berichtet, die Zahl der Operationen zur Schamlippenverkleinerung bei Frauen in England laut dem britischen Gesundheitssystem NHS von 400 auf 800 verdoppelt.
Viele der Operationen, da sind sich die Kritiker dieser neuen Praxis sicher, tun den Patienten nichts Gutes. Allein die Existenz des sagenumwobenen lustbringenden G-Punkts wird in Ärztekreisen in Frage gestellt, ganz zu Schweigen der Gewinn des Unterfangens diesen Punkt durch Spritzen zu vergrößern.
Es drängt sich die Frage auf, was als nächstes kommen mag. Ist meine Leber zu fett? Müssen meine Lungen verschmälert werden? Haben Sie nicht auch manchmal das Gefühl, ihre Blase bläht den Bauch unnötig auf? Es gibt noch viel zu tun.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israel, Nan Goldin und die Linke
Politische Spiritualität?
Matheleistungen an Grundschulen
Ein Viertel kann nicht richtig rechnen
Nikotinbeutel Snus
Wie ein Pflaster – aber mit Style
Innenminister zur Migrationspolitik
Härter, immer härter
Prozess gegen Letzte Generation
Wie die Hoffnung auf Klimaschutz stirbt
Börsen-Rekordhoch
Der DAX ist nicht alles