Desertec formiert sich: Startschuss für den Wüstenstrom
Am Montag gründet sich die Industrie-Initiative "Desertec". Mit dabei: Deutsche Bank, RWE, Eon und Siemens. Ihre Vision ist großtechnischer Solarstrom aus der Sahara. Auch Greenpeace findet das gut.
MÜNCHEN dpa/ap/rtr/taz | Der Münchner Siemens-Konzern will sich stärker in der Solartechnik engagieren und zu einem der führenden Anbieter weltweit aufsteigen. Das sagte Vorstandschef Peter Löscher dem Nachrichten-Magazin Der Spiegel. Gleichzeitig wies er Kritik an dem geplanten Wüstenstromprojekt Desertec zurück, wonach es unwirtschaftlich sei, den in Afrika gewonnenen Strom nach Europa zu transportieren.
"Stromautobahnen können heute technisch und wirtschaftlich höchst effizient sein. Für uns gehört das schon heute zum Stammgeschäft", sagte Löscher. Siemens, die Energieversorger RWE und Eon, der Solartechnik- Anbieter Schott Solar, die Deutsche Bank und Vertreter der Desertec Foundation wollen am Montag in München eine Initiative ins Leben rufen, deren Ziel die Nutzung der Wüstensonne zur Stromversorgung ist.
Der ehemalige Bundesumweltminister und Leiter des Umweltprogramms der Vereinten Nationen, Klaus Töpfer, forderte die an dem Projekt beteiligen Unternehmen unterdessen zu mehr Transparenz auf. "Jeder muss nachvollziehen können, wer da welche Position vertritt", mahnte Töpfer im Tagesspiegel am Sonntag.
Afrika leide noch heute an den Folgen des Wachstums der Europäer und sei besonders hart von den Folgen des Klimawandels betroffen, den die Industriestaaten verursacht hätten. Daher müsse das Wüstenstrom-Projekt diesen Staaten einen Mehrwert bringen. "Sollte da der Eindruck entstehen, dass es um eine neue Form der Ausbeutung geht, wird das Projekt scheitern."
Löscher wies auch Kritik zurück, die Regierungen vieler betroffener Länder seien vorher nicht gefragt worden: Bei dem Vorhaben seien auch Vertreter aus dem arabischen Raum und Afrika maßgeblich eingebunden, betonte der Siemens-Chef. Die Anlagen in der Wüste wären zudem eine "Riesenchance für Afrika und jede andere Region mit entsprechendem Sonneneinfall".
Auch Greenpeace kann der Initiative viel abgewinnen: Desertec könne zu einem Meilenstein für die Solarenergie werden, und verlangte ein entschlossenes Vorgehen. "Die Energiekonzerne, Finanzinstitute und Anlagenbauer können die Nutzung von Wüstenstrom zu einem weltweitem Vorbild machen", erklärt Andree Böhling, Energie-Experte von Greeenpeace.
Für Greenpeace gehöre der Solarstromimport aus der Wüste zum Ökostrom dazu, um einen schnelle Energiewende zu erreichen. Allerdings habe der dezentrale Ausbau von Windkraft und Photovoltaik in Deutschland weiter Vorrang.
Siemens hatte zuletzt auch in seiner Energiesparte die weltweite Rezession zu spüren bekommen. "Im Monat Juni ist der Auftragseingang nicht nur in Industriedivisionen wie den Elektroantrieben, sondern auch in der Division Energieübertragung unerwartet schwach ausgefallen", sagte Gesamtbetriebsratschef Lothar Adler dem Magazin Euro am Sonntag.
Löscher plädierte für ein breites Angebot an Energieträgern und verteidigte trotz des Solar-Vorstoßes Pläne des Konzerns, auch das Atomgeschäft auszubauen. "Die Welt braucht einen breiten Energiemix. Dazu gehört das gesamte Spektrum an Energieträgern und innovativen Technologien."
RWE-Chef Jürgen Großmann verwies in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung allerdings darauf, dass es sich bei dem Vorhaben bisher lediglich um eine Idee handele. Bevor daraus ein Projekt "und dann möglicherweise eine Investition" werde, müsse sie genau überprüft werden. Wenn das Projekt machbar sei, sei RWE aber mit dabei. Der Wüstenstrom könne Kohle- und Atomkraft aber nicht schon in zehn Jahren ersetzen. Eine solche Prognose sei nicht seriös, sagte Großmann.
Der Bau von solarthermischen Kraftwerke brächte viele Chancen auch für den deutschen Industriestandort, teilt man die Einschätzung einer Greenpeace-Studie. Denn die hiesigen Firmen haben weltweit mit einem Marktanteil von knapp einem Drittel eine Spitzenstellung. Allein durch den weiteren Kraftwerksbau könnten eine Viertelmillion neue Arbeitsplätze entstehen.
Zum Einsatz kommen soll die sogenannte Parabolrinnen-Technologie, die bereits seit Mitte der 80er Jahre in der kalifornischen Mojave- Wüste und mittlerweile auch beim Solarkraftwerk "AndaSol" in Andalusien genutzt wird. Über Dampf und Turbinen wird Sonnenenergie in Strom umgewandelt. Die sogenannte Hochspannungs-Gleichstrom- Übertragung soll dafür sorgen, dass der Strom nicht nur in Nordafrika genutzt werden kann, sondern auch nach Europa fließt.
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