Der zeozwei Wochenüberblick #10 : Tierschutz ist Klimaschutz
Die „Wir haben es satt”-Demo am Samstag kämpft für Systemwechsel. Das Interview dazu.
zeozwei: Frau Benning, an diesem Samstag werden Sie bei der „Wir haben es satt” - Demo in Berlin für eine tier- und klimafreundlichere Landwirtschaft auf die Straße gehen. Landwirte organisieren eine Gegendemo „Wir machen Euch satt”, weil sie sich in die Ecke gedrängt fühlen. Wie viel Verständnis haben Sie dafür?
Reinhild Benning: Ich verstehe, dass die Landwirte unzufrieden sind, weil sie für Milch oder Fleisch weit weniger bekommen als die Produktionskosten ausmachen. Aber ich verstehe nicht, warum sie gegen die Leute demonstrieren, die gegen Schlachthöfe und Molkereien protestieren, die die Preise vorgeben.
Womöglich nervt es die Bauern, die um ihre Existenz kämpfen, dass ihnen nun auch noch Städter reinreden wollen?
Bei der „Wir haben es satt”-Demo fahren 80 Trecker vorweg, dieses Jahr werden es mindestens so viele sein. Da gehen nicht nur Städter mit, sondern auch viele konventionell und ökologisch wirtschaftende Bauern. Sie haben verstanden, dass sie nur vom „Wachsen und Weichen”-Dogma der Landwirtschaftspolitik wegkommen, wenn sie mit der Gesellschaft reden und gemeinsam kämpfen. Damit haben sie auch Erfolg.
Erfolg?
Verbraucher zahlen Biobauern bereits mehr Geld für Milch, kaufen Fleisch aus tiergerechter Haltung. Wir können uns nicht gefallen lassen, dass Konzerne sagen, wie viel Tierschutz es gibt.
Steigt der Druck nicht ohnehin? Nimmt die Politik das neue Weltklimaabkommen ernst, müsste sie die Agrarier drängen, klimaschonender zu wirtschaften.
Bisher setzt die Regierung auf den Export, auf Freihandelsabkommen wie TTIP und Ceta – und damit auf Massentierhaltung. Dabei entfallen 13 Prozent der Treibhausgasemissionen in Deutschland auf die Landwirtschaft, drei Viertel davon macht die intensive Tierhaltung aus.
Tierschutz wäre Klimaschutz?
Unterm Strich: Ja. Je weniger Tiere zum Beispiel auf der Weide grasen, umso mehr Weiden werden zu Äckern umgepflügt. Wiesen zählen aber nach den Wäldern zu den größten Kohlenstoff-Speichern der Welt, Maisfelder setzen dagegen Treibhausgase frei. Darum gehört in jeden Klimaschutzplan, Weidehaltung zu fördern statt Fleischfabriken. Die Bundesregierung muss nachlegen. Einfach wird das nicht.
Der Widerstand in der Landwirtschaft ist größer als in anderen Branchen?
Die Agrarlobby blockiert. Klimaschutz in der Landwirtschaft ist eine Systemfrage. Die Branche kommt von Treibhausgasemissionen nur runter, wenn die Tierhaltung insgesamt dem sinkenden Fleischkonsum hierzulande angepasst und dabei regionalisiert wird. Also etwa Sojaimporte, für die Regenwälder abgeholzt wurden, durch heimisches Futter ersetzt und genügend Flächen für Mist und Gülle rund um den Hof gesichert werden.
Wie kommt man voran?
Verbraucher müssen an der Fleischtheke, ähnlich wie beim Code für Eier, erkennen können, aus welcher Haltung Wurst oder Hack kommen. Der Bundesrat schlägt so etwas für abgepacktes Fleisch vor, die Regierung will an die Pflichtkennzeichnung für Fleisch gar nicht heran. So dürfen Supermärkte klimaschädlich erzeugte Produkte unter irreführenden Namen wie „Wiesenhof” oder „Bauernglück” anbieten. Für den Systemwandel gehen wir am Samstag auf die Straße.
Das Interview führe Hanna Gersman.
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