■ Der ungediente Saxophonist und die Machos im Pentagon: Kollektives Coming-out?
Knapp sieben Tage im Amt, und schon heulen die Generäle im Chor mit dem Papst. Der sieht im Weißen Haus Böses am Werk, weil Bill Clinton, offensichtlich in einem Anfall überirdischer Anmaßung, unter dem Schutz des Lebens auch den der Frauen versteht. Die Herren im Pentagon beißen, toben und drohen ein bißchen mit Rücktritt, weil ihr Allerheiligstes der moralischen Zersetzung preisgegeben werden soll. Dieser ungediente Saxophonist will das größte Kollektiv-Coming-out in der Geschichte der USA provozieren: Schwule und Lesben sollen im Militär in Zukunft ganz offiziell und offen dienen dürfen – was für stramme Heteromänner (zumindest tun sie alle so) wie den Vorsitzenden der „Joint Chiefs of Staff“, Colin Powell, das Ende der alten Männerwelt bedeuten würde. Das Alptraum-Szenario der Generäle? Dreißig Sekunden nachdem Präsident Clinton den Bann gegen Homosexuelle in der Armee aufgehoben hat, verwandeln sich die Militärakademie „West Point“, der US-Marines-Stützpunkt „Camp Lejeune“ oder die USS „Kitty Hawk“ in eine „Christopher Street Day“-Parade. Aus dem Tempel des amerikanischen Machismo wird ein Tollhaus.
Und so werfen die Generäle die Arme sorgenvoll in die Luft und fragen sich, wie sie wohl ihren aufrechten heterosexuellen Boys beibringen sollen, daß die nun plötzlich mit schwulen Kameraden Schlafsaal und Dusche teilen sollen. (Von den Girls ist in diesem Zusammenhang bezeichnenderweise nie die Rede.) Und es solle sich doch keiner wundern, wenn bei dieser psychologischen Belastung ein paar schwule Soldaten Prügel beziehen. Ergo: Homophobie ist nicht das Problem der Homophoben, sondern das der Homosexuellen. Offen sagt das natürlich keiner.
Also sitzt man an den Schaltstellen der letzten verbliebenen Supermacht und streitet. Auf der Tagesordnung stehen kleinere Probleme wie Bosnien, Somalia und Irak – aber das Wichtigste kommt nun mal zuerst: Ist eine in jeder Hinsicht gemischte Armee kampftauglich, oder hätte man sich, um diesen moralischen Niedergang zu vermeiden, nicht doch dem Warschauer Pakt ergeben sollen? Ein Vorschlag zur Güte: Die Herren Powell und Co. mögen sich ein Beispiel am Nachbarn Kanada nehmen. Dort hat man den Bann gegen Schwule und Lesben im Militär unlängst ohne öffentliches Getöse aufgehoben. Frei nach dem Motto: Es ist schwieriger, einen Vegetarier in die Armee zu integrieren als eine/n Homosexuelle/n. Für ersteren muß man extra kochen. Die ganz unbeugsamen homophoben Generäle und Offiziere sollte Bill Clinton an die Schweizer Garde verschenken. Das könnte sogar die Beziehungen zum Vatikan wieder erwärmen. Andrea Böhm, Washington
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen