: Der unbarmherzige Kalkulator
Die Unternehmensberatung McKinsey feiert heute in Berlin. Hier kennt sie sich aus: Kliniken, Kirche und Senat – sie alle wussten nicht weiter und holten McKinsey zur Hilfe. Die Beschäftigten sind sauer
von MIRJAM DOLDERER und FELIX WADEWITZ
„McKinsey können sich unsere Mitglieder sowieso nicht leisten“, sagt ein Sprecher des Berliner Unternehmer-Verbandes. Die meisten Firmen mit ihren fünf bis zehn Mitarbeitern seien einfach eine Nummer zu klein für die Unternehmensberatung. Und auch McKinsey selbst gibt zu verstehen, dass es bei Privatunternehmen in Berlin nicht viel zu holen gibt. „Es gibt ja mit Schering nur ein einziges Dax-Unternehmen in der Stadt“, so eine Sprecherin. Stattdessen konzentriert sich McKinsey auf landeseigene Unternehmen, die Kirche und den Senat.
Bei der Sanierung des zum Land Berlin gehörenden Krankenhauskonzerns Vivantes spielt McKinsey eine Hauptrolle. Knapp 3 Millionen Euro hat sich Vivantes die Dienste bisher kosten lassen. Das macht ein Tageshonorar von 2.500 Euro pro Berater. Ihr Tipp: Um Vivantes wieder fit zu machen, sollen 185 Millionen Euro eingespart werden. Rund 1.500 der momentan 10.500 Vollzeitstellen werden eingespart. Im Humboldt-Klinikum wird jeder vierte Arzt gehen müssen. Für die, die weiter arbeiten dürfen, erhöht sich die Arbeitsbelastung durch kürzere Ruhezeiten – beispielsweise zwischen zwei Operationen. Dazu kommt: Bis 2008 müssen die Beschäftigten auf ihr Weihnachts- und Urlaubsgeld verzichten, um zur Sanierung des Unternehmens beizutragen.
„Von unserem Weihnachtsgeld wird jetzt der Kaviar für das McKinsey-Sommerfest finanziert“, analysiert Vivantes-Betriebsrat Volker Gernhardt. Die Stimmung unter den Angestellten sei „ganz, ganz übel“ angesichts der Luxusparty von McKinsey und der „ganz schlechten Arbeit“ der Berater. Die Sanierung laufe nicht wie geplant. Die versprochene enge Zusammenarbeit mit den Angestellten finde nicht statt. „McKinsey zieht einfach sein Ding durch.“
Auch das finanziell angeschlagene Erzbistum Berlin hat McKinsey zur Hilfe gerufen. 80 Millionen Euro Schulden gilt es abzubauen. Dafür werden Pfarreien fusioniert und 440 Stellen abgebaut. „Ohne McKinsey hätten wir keine Chance gehabt, das Ruder umzureißen“, sagt Berlins Diözesanratsvorsitzender Hans-Jürgen van Schewick. Die Berater hätten klar gemacht, dass das Bistum ohne Sanierung zahlungsunfähig werde.
Für den Senat erstellte McKinsey ein Gutachten über die Berliner Messegesellschaft. „Eine Privatisierung ist keine attraktive Option für das Land“, fasste der Senat den McKinsey-Bericht zusammen. Seltsam: Grundsätzlich sind die Unternehmensberater für Privatisierungen von Messebetreibern, die den Kommunen gehören. Dem Abgeordnetenhaus wurde der Bericht nie vorgelegt. Dadurch „liegt die Vermutung nahe, dass die Interpretation des McKinsey-Gutachtens durch den Senat nicht die einzig möglich ist“, findet CDU-Fraktionschef Nicolas Zimmer. McKinsey könnte für die Gage von mindestens 600.000 Euro aber auch ein Gefälligkeitsgutachten erstellt haben, spekuliert FDP-Fraktionschef Martin Lindner.
„Wenn eine Firma sich Unternehmensberater ins Haus holt, dann hat das oft zwei Ursachen“, glaubt Alfred Kieser, Professor für Betriebswirtschaft an der Universität Mannheim. „Zum einen braucht man jemanden, der die Sündenbockrolle übernimmt und Entlassungen durchdrückt. Zum anderen lassen sich verunsicherte Manager beruhigen, wenn jemand als Experte auftritt.“ Berater schürten diese Unsicherheit, und so kämen viele Projekte gar nicht zu einem richtigen Abschluss, sondern zögen immer Nachfolgeaufträge nach sich. 70 Prozent aller Beratungsgeschäfte seien Anschlussgeschäfte, schätzt Kieser.
Ein Grundsatz bei McKinsey lautet übrigens: Kein Berater verlässt das Büro früher als der Klient. Hoffentlich schaffen es die Berater heute Abend pünktlich zu ihrer eigenen Geburtstagsfeier in den Palast der Republik.