Der sonntaz-Streit: „Ich finde das schade“
Mit Karte zahlen geht heutzutage problemlos. Brauchen wir also noch Bargeld? Nein, sagt Ex-Finanzminister Hans Eichel. Andere widersprechen.
Nächste Woche bringt die Europäische Zentralbank einen neuen 10- Euro Schein in Umlauf. Das kommt den Deutschen entgegen, denn die zahlen immer noch am liebsten mit Bargeld. Und wenn sie zur Karte greifen, dann lieber zur Bank- als zur Kreditkarte. Der Deutsche ist halt sparsam, hat gerne Überblick über seine Finanzen.
Aber eigentlich braucht doch keiner mehr Bargeld. Gerade erst hat Apple seinen neuen Bezahldienst Apple Pay vorgestellt. Damit will das Unternehmen das Smartphone zur digitalen Geldbörse umfunktionieren. Einfach, schnell und effizient. Und wer dem Internetgiganten aus dem Silicon Valley nicht traut, kann auch auf Bitcoins umsteigen: eine verschlüsselte digitale Währung, die sich wachsender Beliebtheit erfreut. Brauchen wir also noch Bargeld?
„Technisch gesehen brauchen wir kein Bargeld mehr“, sagt Hans Eichel, ehemaliger Finanzminster der Bundesrepublik. Der SPD-Politiker glaubt, „dass Banknoten und Münzen ein Auslaufmodell sind.“ Er persönlich fände das schade, weil sich dadurch der Umgang mit dem Geld ändere.
Der fehlende Überblick
Nie war die Gesellschaft freier, die Möglichkeit zur Selbstverwirklichung größer. Doch viele macht das nicht glücklich, sondern panisch. Im Job und in der Liebe. Der Soziologe Heinz Bude in der taz.am wochenende vom 20./21. September 2014. Außerdem: Eine Reportage über verschleppte Kinder im Bürgerkrieg in El Salvador, die als Erwachsene ihre Eltern wieder finden. Und: Wie eine Initiative in Peru Elektroschrott umweltverträglich entsorgt. Am Kiosk, eKiosk oder gleich im praktischen Wochenendabo.
Ohne Bargeld hätte man weniger Überblick über seine Ausgaben. „Das überlegte Umgehen mit Geld wird also nachlassen und insbesondere für viele Leute, die sich in wirtschaftlichen Dingen nicht so gut auskennen, in privater Verschuldung enden.“ Einen positiven Effekt hätte die Abschaffung des Bargelds allerdings, sagt Eichel: „Geldströme wären nachvollziehbar und es wäre nicht mehr möglich, Steuern zu hinterziehen.“
Arnulf Keese, Deutschland-Chef der Firma PayPal stellt fest: „Die Verbreitung bargeldloser Bezahlmöglichkeiten wird das Einkaufen überall einfacher machen. Deshalb werden wir in Zukunft immer weniger Bargeld und schließlich gar keines brauchen.“ Bargeldlose Bezahlwege über Smartphone und ähnliches, sagt Keese, seien weniger risikoreich und würden Bargeld überflüssig machen.
Kritisch sieht die Abschaffung des Bargelds die Autorin und Politikerin Anke Domscheit-Berg. Sie sagt: „Wir leben in einer Zeit, in der Daten über uns überall verfügbar sind, gesammelt und ausgewertet werden. Von Unternehmen, damit sie uns noch besser ihren Kram verticken können, und von Geheimdiensten, damit wir besser manipulierbar und erpressbar sind.“
Die Datenspuren, die bei bargeldlosen Bezahlvorgängen entstehen, könnten laut Domscheit-Berg zur Erstellung von umfassenden Persönlichkeitsprofilen missbraucht werden. „Wer heute anonym shoppen möchte“, sagt Domscheit-Berg, „der sollte Bargeld dafür benutzen.“
Ein Ganovenstück
Auch der Autor und Börsenmakler Dirk Müller, alias Mr. Dax, glaubt nicht, dass eine bargeldlose Welt eine gute Idee ist. „Die Abschaffung des Bargeldes käme einem Ganovenstück gleich. Geldscheine und Münzen sind per Gesetz die einzigen legalen Zahlungsmittel. Geld auf Girokonten und elektronische Zahlenschiebereien sind stets nur die Übertragung von legalen Zahlungsmitteln - eben Münzen und Scheine.“
Müller spricht sich dafür aus, dass neue und bequeme Möglichkeiten der Zahlung nicht automatisch das Bargeld ersetzen sollten. Beide Möglichkeiten sollten nebeneinander existieren. „Es muss dem Bürger zwingend selbst überlassen bleiben, ob er auf elektronischem Wege Ansprüche überträgt oder mit klingender Münze bezahlt.“
Die Streitfrage der Woche beantworten außerdem Georg Fahrenschon, Präsident des Deutschen Sparkassenverbands, Joerg Platzer, Kryptoökonom und Bitcoin aktzeptierender Wirt und die taz-Leserin Hannah Rössler und Georg Füchsle – in der taz am wochenende vom 20./21. September 2014.
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